Ende Februar 2018 fand die erste Unterrichtsstunde statt. Geplant war ein zweiwöchentlicher Abstand der Unterrichtsstunden. Ich dachte mir, ich brauche Zeit um die Informationen aus einer Stunde verarbeiten zu können. Glücklicherweise hat mein JazzPianolehrer gleich erkannt das dieses Vorhaben, abgesehen von der grundsätzlichen Vermessenheit mich in meinem Alter mit dem Klavierspielenerlernen zu beschäftigen, nicht gut wäre.
Ich bin am Überlegen mich aus dem Clavio Forum wieder abzumelden. Das ist der Wahnsinn! Ich entwickle eine Art Sucht mich in den Räumen dort herumzutreiben. Jetzt habe ich eh schon keinen Fernseher, das heißt ich spare eine Menge kostbarer Zeit ein. Und verliere ich mich dafür in den Weiten des Forums.
Das selbstgeschriebenen vierhändige Stück aus dem Jazzklavierunterricht, „Floating“ betitelt, geht nun schon etwas flüssiger. Rhythmisch strauchle ich öfters. Ich versuche mich sehr zusammen zu reißen, weil nichts schlimmer ist als bei rhythmischen Totalversagen dann Klatschübungen mit dem Dozenten machen zu müssen.
Mein klassischer Klavierpädagoge macht mir während des Unterrichts viel Mut. Wenn Probleme auftauchen, läßt er mich ein paar Mal versuchen diese alleine zu lösen. Klappt es nicht, zeigt er mir wie ich damit umgehen kann. Meistens ist es nur eine Kleinigkeit, ein kleiner Trick, und es tut sich in mir ein gewaltiger Aha-Moment auf. Er weiß immer eine Lösung bei Schwierigkeiten.
Ich habe mich nun in einem Klavierforum angemeldet. Hier kann man Informationen erhalten von Literatur über Übemethoden, zu Orgelmusik, Jazz, Kauf-, Verkaufberatung von Tasteninstrumenten, Tips für Notenliteratur. Es gibt die Möglichkeit Interpretationen eigener Stücke ins Netz zu stellen und sich der Kritik anderer auszusetzen, Treffen mit anderen Forumteilnehmer zu organisieren, Fragen zur Rhythmik, usw.
Für die nächste Stunde hat mein Dozent etwas 4-händiges für uns geschrieben. Während er gefrühstückt hat, zwischen erster und zweiter Semmel. Seine Worte! Natürlich hat er vergessen, daß die Worte „leicht“ und „eingängig ins Ohr“ bei Auftragserteilung verwendet wurden.
Jetzt komme ich ins Grübeln. Soll ich dem Jazzklavier Dozenten gestehen, daß ich ihn sozusagen „betrüge“? Weil ich mir weitere Impulse holen möchte? Und muß! Weil ich den Eindruck habe, das ich mich an der Jazzschool ohne zusätzliche Grundlagen und breiterem Basiswissen nicht mehr lange über Wasser halten kann?
Derart vorbereitet starte ich in das neue Schuljahr an der Jazzschool. Ich konnte durch die Schulterproblematik einige Wochen nicht üben und bin erschrocken wie schnell ich vieles wieder vergessen habe. Aber ich hatte wegen dem erzwungenen Nichtstun Zeit zum Nachdenken und mir sind ein paar Dinge in den Sinn gekommen, die sich in Zukunft im Unterricht ändern müssen.
Ein weiterer Grund weshalb ich um ein Konzert meines Klavierlehrers auf seiner Gitarre gebeten hatte, war der Zustand meiner linken Schulter. Ich hätte selbst keinen Ton mehr spielen können. Die Schmerzen haben sich seit dem Frühjahr immer wieder bemerkbar gemacht. Vor den Sommerferien wurden sie unerträglich und ich war viele Wochen krankgeschrieben. Eine wahre Katastrophe für meinen Arbeitgeber.
Meine letzte Stunde in dem Schuljahr. Für diese Stunde habe ich mir gewünscht nichts am Klavier zu spielen oder noch etwas Neues zu erlernen. Ich bat meinen Lehrer in dieser Stunde mir Lieblingsstücke von sich auf seiner Gitarre vorzutragen. Ich habe ihn am Klavier erlebt, aber seine wahre Leidenschaft, das Gitarrenspiel, habe ich nicht kennengelernt.
Es geht voran. In dieser Stunde wurde ich mit meinem ersten Vorzeichen bekannt gemacht. Es ist ein Kreuz. Ein Kreuz erhöht den Ton, vor dem es steht um einen Halbton. Der Ton bekommt eine Endung, ein -is. Aus einem „a“ wird ein „ais“ , aus einem „d“ ein „dis“ , usw. usf.
Die neue Tonart heißt G-Dur. Wenn man von C aus eine Quint nach oben geht, kommt man zu G und daher hat die neue Tonart ihren Namen.
Die internationale Chorakademie in Krems, Niederösterreich liegt hinter mir. Zehn Tage Chormusik, ein großes Hauptwerk, verschiedene Studiochöre, Gehörschule, Dirigieren, Stimmbildung, Komposition, Volkstanz, Karaoke, Abende beim Heurigen, einen täglichen Kanon, Singstunden, schlechtes Essen, wenig Schlaf, große Hitze die die Hörsäale in Saunen verwandelt, Yoga für die Frühaufsteher, Massagetermine für die überstrapazierte Rücken- und Nackenmuskulatur wegen dem vielen Notenhalten und aufrechtem Sitzen, Volleyball für die motorisch noch nicht ausgelasteten.
Das Üben am Klavier ist mir schon in Fleisch und Blut übergegangen. Es fällt mir nicht schwer und macht mir Spaß. Es ist sogar so, daß es mir geradezu fehlt, wenn ich es an einem Tag mal nicht schaffe zu üben.
Ich habe es nie erwähnt, aber in einer der Unterrichtsstunden bekam ich mal ein Übungsblatt mit dem Titel „Blowing in the Wind“. Die Vorgabe war: „Bitte nicht die Notenbezeichnungen drunter schreiben, damit Sie die Noten im Bassschlüssel kennenlernen“. Deshalb kann ich jetzt einzelne schon erkennen.
Oh. Cool. Heute habe ich etwas ganz Neues kennengelernt: "Modale Vamps". Ich weiß nicht worüber ich mich mehr begeistern kann. Über den Begriff als solchen oder über das Gefühl, ich kapiere ein bisschen worum es dabei geht.
Viele Tage später:
Nachdem ich mich wieder beruhigt und tatsächlich eine ganze Woche das Klavier nicht angerührt habe, konnte ich mich erholt von Frust an meine Aufgabe machen. Habe was Neues entworfen. Obwohl ich in der letzten Stunde außer mir war und mich nicht mehr an alles erinnern kann, was wir da besprochen hatten.
Keine Ahnung was mit mir los ist. Bin völlig frustriert, weinerlich aber zugleich auch wütend. Habe mich wiedermal in ein totales inneres Ungleichgewicht hinein manövriert. In der letzten Unterrichtsstunde war ich nicht mit mir zufrieden. Die tolle Idee mit dem Taktwechsel vom 4/4 Takt in den 5/4 Takt hat sich gegen mich gekehrt.
Die Hybris (Übermut, Anmaßung) bezeichnet eine extreme Form der Selbstüberschätzung oder auch des Hochmuts. Man verbindet mit Hybris häufig den Realitätsverlust einer Person und die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Leistungen und Kompetenzen, vor allem von Personen in Machtpositionen.
(Erklärung aus Wikipedia)
Nach der sechsten Stunde
Leider fordern die Akkorde ihren ersten Tribut: leichte Schmerzen und Überlastungserscheinung am linken Handgelenk. Obwohl ich nie sonderlich lange am Klavier sitze und übe. Regelmäßig unterbreche um zu entspannen.
Ich bin ganz verliebt in die kleine musikalische Miniatur.
Mein Lehrer ist erfreut, das ich mich mit dem zweiten Teil beschäftigt habe. Dann mal nicht nur die Grundtöne gespielt, sondern die Akkorde dazu versucht. Verflixt. Aber wenn er das Lied spielt und die Akkorde dazu, hört sich das schon sehr hübsch an. Das will ich auch können. Also daheim weiter fleißig üben.
Sehr gut. Ich habe mich getraut und dem Dozenten gestanden das ich mich mit den Septakkorden überfordert fühle. Ich bin motorisch nicht in der Lage sie zu spielen. Bei dem Tempo, das er anschlägt, kann ich nicht mithalten. Ich merke, ich bekomme Angst weil ich sowenig von den Zusammenhängen verstehe. Er zeigt Verständnis und ich bin erst mal befreit. Und stolz auf meinen Mut dies alles zu zugeben.
Vierklänge!!! O weh. Sieben an der Zahl, 4 Tasten auf einmal. Da tauchen so Worte wie groß - klein, major - minor, dominant, vermindert und Septen auf. Und das „h“ heißt ab sofort „b“. Wie war das noch mal mit dem Moll und dem Dur?
Es ist meine dritte Stunde. Ich bin Anfänger. Wie soll das weitergehen? Was werde ich in der zehnten Stunde zu hören bekommen?
Für die zweite Stunde sollten wir den Übungsraum wechseln. Im anderen steht kein Flügel mehr. Mein Dozent mußte die vier Musiker rauswerfen die dort gerade geprobt hatten. Sie waren etwas unglücklich das Zimmer verlassen zu müssen. Scheinbar sind freie Räume an der Jazzschool Mangelware und sie waren richtig in Fahrt.
Die Neue Jazzschool liegt idyllisch auf einer der Würminseln. Ich habe mir dort vor vielen Jahren mal eine Shakespeare Theateraufführung vom Sommernachtstraum angesehen. An einem lauen Sommerabend openair. Ob es diese Veranstaltung immer noch gibt?
Weshalb formuliere ich jetzt eine Rechtfertigung für das Anlegen von diesem Blog? Ich habe irgendwo gelesen: "Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht."
Es war wieder ein Montag. Zufall! Ich hatte nach dem Wochenenddienst frei. Also bin ich zu der Neuen Jazzschool München marschiert, wollte im Sekretariat fragen, ob ich einen "Suche-mutigen-Klavierlehrer" Zettel aushängen dürfe.
Das Internet ist groß und weit. Natürlich hat meine Forschung über die "Hardware" zum Thema Klavier dort angefangen. Mir erschien es angemessen einen hohen dreistelligen Betrag für das Instrument zu investieren.