Weshalb formuliere ich in diesem Blogbeitrag eine Art Rechtfertigung für das Anlegen vom Klavierblog-Beginner? Ich habe irgendwo gelesen: "Wer seine eigene Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht". Ich habe ein zweites Ziel neben dem Klavierspielen erlernen: etwas von mir selbst erzählen zu können. Zwar schrecke ich in einer gewissen Weise davor zurück, meine Gedanken und Gefühle in schriftlicher Ausführung und dazu auch noch im Netz zu veröffentlichen. Wieviel Bla-Bla und Blödsinn ist da schon zu lesen, zu ertragen oder zu verurteilen.
Kommt mir einerseits vermessen vor; wer interessiert sich denn schon für die Erfahrungen, Belange und Schwierigkeiten einer späten Klavierschülerin? "Diese Entwicklung ist überhaupt nicht interessant, behalte sie also lieber für dich". Ist fast wie ein Tagebucheintrag, sooo spannend ist das für andere nicht immer zu lesen.
Ich bin nach wie vor am Schwanken ob ich das Projekt mit dem Blog nicht besser vergessen sollte. Und mich dafür lieber auf das Klavierspielenerlernen selbst konzentrieren sollte. Auf der anderen Seite fänd ich es ganz spannend von einem ähnlich gelagerten Fall wie dem meinen zu lesen. Der mir Mut machen, helfen und motivieren, mir Tipps oder Hilfestellungen geben kann.
Als ich auf der Suche nach einem Mut-mach-Blog war, keinen gefunden und spaßeshalber angedroht habe einen selber zu schreiben, war mein Mann von der Idee freundlicherweise schnell begeistert. Er hat mir, bevor ich ausführlicher darüber nachdenken konnte, eine Web Adresse gekauft und eine Homepage eingerichtet. Vielleicht so schnell, um mich daran zu hindern den Plan mit dem Blog wieder fallen zu lassen. Und ich die Idee aufgreifen muß, jetzt, sofort, damit sie nicht genauso schnell wieder vom Leben verschluckt wird.
Meine Tochter hat auf meine Zweifel gesagt, „Nimm dich doch zur Abwechslung auch mal wichtig." Auch wieder eine erlernte und anerzogene Haltung für eine Frau aus meiner Generation: die Gedanken und Gefühle von anderen wichtiger zu nehmen als die eigenen.
Mir gefällt andererseits die Idee, einzelne Schritte und Phasen zu meinem kühnen Vorhaben ein wenig verfolgen zu können. Die Erfahrung zeigt, das man später nur noch Teile der Erfahrungen in Erinnerung behält. Das große Ganze zerfällt. Einzelne Momente werden konserviert.
Und selbst wenn ich mit meinem Versuch am Ende grandios scheitern sollte, kann ich mit dem Blog auf einen Verlauf blicken, der mir noch mal vor Augen führt wie es dazu gekommen ist. Und wie es mir dabei ergangen ist. Ein wenig Selbstkontrolle kann ich über dieses Medium auch ausüben. Keine Ahnung wie motiviert ich mich erweise. Oder ob ich schnell das Handtuch werfen muß. Es könnte spannend werden.
Und ich werde mir nicht mehr vorwerfen lassen müssen, das ich es nicht wenigstens einmal ernsthaft versucht habe. Meist pflegt man gerne ein vages Bedauern über verpasste Chancen, die die Entschuldigung liefern dieses oder jenes nicht gemacht zu haben.
Meine Mutter kommt aus einer musikalischen Familie. Alle haben unterschiedliche Instrumente gespielt, gemeinsame Hausmusik war ein abendlicher Zeitvertreib. Mein Großvater gesegnet mit dem absoluten Gehör, was sich aber für den Rest der Familie als anstrengend erwiesen hat. Meine Mutter, die ein ziemlicher Freigeist und motorisch eher am rumstreunen und an Bäume-rauf-klettern interessiert war, sind die Klavierstunden eine Qual gewesen. Sie hatte sich damals geschworen den als leidvoll erfahrenen Klavierunterricht ihren eigenen Kindern zu ersparen.
Das ist die ganze Vorgeschichte. Kraft, Lust und Leidenschaft das Klavierspielen zu erlernen, wären in mir vorhanden. Das fühle ich. Hoffentlich auch die Leidensfähigkeit wenn es damit nicht so gut klappen wird!
Aber nun werde ich aktiv. Es kommt mir dabei fast so vor, als wenn ich in einen neuen Lebensabschnitt trete. Und verspüre eine gewisse freudige Aufregung, weil ich mich mutig genug fühle zwei komplett neue und fremde Tätigkeiten in mein Leben zu integrieren. Das Klavierspielenerlernen. Dabei die Fortschritte oder einen Stillstand mit dem Blog zu analysieren. Vielleicht blitzt da der eine oder andere Glücksmoment hervor. Vielleicht entwickelt sich unbeschreibliche Freude an Klängen und Tönen, an Akkorden und Melodien. Ein Staunen über musikalische Zusammenhänge oder darüber was meine Finger bewegen können.
Oder ich werde von tiefer Verzweiflung überwältigt, wenn ich nicht so kann wie ich es mir wünsche. Weil ein Scheitern in meinem Alter realistisch und durchaus möglich ist.