Vierklänge!!! O weh. Sieben an der Zahl, 4 Tasten auf einmal. Da tauchen so Worte wie groß - klein, major - minor, dominant, vermindert, übermäßig und Septen auf. Und das „h“ heißt ab sofort „b“. Wie war das noch mal mit dem Moll und dem Dur? Angeblich kann man das hören. Hilfe! Bin mit so vielen Informationen überfrachtet, das ich rein gar nichts mehr höre. Und ziemlich frustriert.
Es ist meine dritte Stunde. Ich bin Anfänger. Wie soll das weitergehen? Was werde ich in der zehnten Stunde zu hören bekommen? Ich bin nahezu nicht in der Lage vier Finger in regelmäßigen Abständen und gleichzeitig auf den Tasten zu platzieren.
Ich finde es erstaunlich, das ich solch umfassende Informationen schon am Anfang vermittelt bekomme. Mir sind drei Erklärungen eingefallen. Vielleicht schätzt mein Lehrer mich völlig anders ein als ich es mir selbst vorstellen kann. Möglicherweise habe ich so gescheite Fragen gestellt, die implizieren ich wüsste und könnte mehr. Wahrscheinlicher aber: das hier ist die Basis, das sind die grundlegendsten Dinge die man beherrschen sollte um im Jazz weiter aufbauen zu können. Und ich scheitere offensichtlich schon von Anfang an den Anforderungen. Oder: mein Dozent ist völlig realitätsfern.
Scheinbar hat mein Mienenspiel ihm deutlich gezeigt was in mir vorgeht. Er hat mich gefragt ob ich sicher sei, das ich in der Richtung Pop und Jazz weitermachen möchte. Einen kurzen Moment habe ich überlegt ob ich nicht doch lieber „Für Elise“ und so Zeug erlernen möchte. Vielleicht wäre das viel einfacher oder logischer? Keine Ahnung.
In dieser Stunde war ich mal wieder besonders schwer von Begriff. Ich sollte vorspielen, habe mich dabei ständig verspielt. Auf seine Anordnung sollte ich von Takt 4 weitermachen. Das konnte ich einfach nicht. Es funktioniert nur wenn ich alles von Anfang an noch mal spiele. Da ergab sich die irrwitzige Situation, beim wiederholten Verspielen und erneutem Anfangen, als mein Lehrer mich gefragt hat wo ich denn nun gerade sei. Ich habe auf Takt 7 gedeutet, (ich war so sicher ich wäre da) und er mußte mehr als konsterniert feststellen, "Nein, Frau Witt, Sie sind bereits drei Takte weiter!" Ich war nullkommanull orientiert. Weder auf dem Notenblatt noch auf der Klaviatur. Geistig komplett entleert. Habe keine Worte um das Gefühl des Verlorensein zu beschreiben als ich dabei ertappt wurde.
Ich glaube auch ihm ist in diesem Augenblick klar geworden wie wenig ich kann. Er hat sich soweit im Griff gehabt, mir sein Erschrecken über diese Erkenntnis nicht allzu deutlich zu zeigen. Ich taste orientierungslos, wie im dichten Nebel auf den Tasten herum, gerate dann in Auflösung die sehr schnell in Verzweiflung übergeht. Kann am Ende nichts mehr aufzunehmen oder in irgendeiner Weise kontrollieren.
Mir raucht der Kopf nach der Stunde und ich beschließe daheim nach der zweiten oder dritten Fingerartistik auf dem Klavier das Beherrschen-wollen der Vierklänge auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Da wären ja noch die 3-er Klänge, die auch noch erkannt und auf der Tastatur getroffen werden wollen!