Ja, es geht voran. In dieser Stunde wurde ich mit meinem ersten Vorzeichen bekannt gemacht. Es ist ein Kreuz. Ein Kreuz erhöht den Ton, vor dem es steht um einen Halbton. Der Ton bekommt eine Endung, ein -is. Aus einem „a“ wird ein „ais“, aus einem „d“ ein „dis“, usw. usf.
Die neue Tonart heißt G-Dur. Wenn man von C aus eine Quint nach oben geht, kommt man zu G und daher hat die neue Tonart ihren Namen. Wenn man dann die C-Dur Tonleiter mit ihren Halb- und Ganztönen drüber legt, passt der erste Halbtonschritt zwischen 3+4, der zweite zwischen 6+7 aber nicht, deswegen wird das „f“ in diesem Fall mit einem Kreuz erhöht und dann stimmt wieder alles.
Mit dem Kennenlernen eines Vorzeichen habe ich den schützenden Raum des C-Dur Bereiches mit seinen weißen Tasten hinter mir gelassen. Ich lasse mich auf ein weiteres musikalisches Abenteuer ein und lerne nun die schwarzen Tasten kennen.
Ich spiele zur Übung die G-Dur Tonleiter mit dem -fis, als 3-er Akkorde, dann als gebrochene Akkorde und bin erstaunt wie gut mein Ohr erkennt, wenn ich einmal das „fis“ nicht erwische sondern auf dem „f“ lande.
Das macht Spaß. Das Vorzeichen kann am Anfang der Zeile stehen und gilt dann für das ganze Stück oder als Versetzungszeichen direkt vor der Note, das gilt dann für den folgenden Takt.
Was ich nicht ganz verstehe, warum man ausgerechnet eine Quinte nach oben marschiert. Wäre da nicht auch eine Terz oder eine Quart gegangen? Solche Fragen fallen mir leider immer erst nach der Stunde ein. Manchmal ist es aber auch so, das ich mit einer Frage sozusagen ins Wespennest steche und dann soviel Zusatzinformationen bekomme, das ich das Wenige was ich grade eben noch verstanden habe, mit dem Neuen schon wieder vergessen habe.
Daheim habe ich mir mal die anderen Tonarten angesehen, und da wurde mir ein wenig schwummerig. Hatte mir blauäugig gedacht, naja 7 Stammtöne, einmal Kreuze und einmal bs als Vorzeichen, das ist ja überschaubar. Habe nicht an die Halbtöne gedacht die auch ein Vorzeichen haben können. Und schon erhöht sich die Liste der Tonarten auf 12. Dann gibt es einen Quintenzirkel auf dem man sich die ganze Wahrheit ansehen kann. In Laufrichtung außerhalb der Uhr werden die zwölf Dur-Tonleitern aufgelistet, in Gegenrichtung innerhalb des Kreises die zwölf Moll-Tonleitern. Mir scheint, als wäre es wichtig diesen Zirkel zu kennen und zu beherrschen. Das sieht wieder ähnlich erschreckend und furchterregend aus, wie z.B. alle Dreier und Vierer Akkorde in Moll und Dur zusammen.
Das in der Musik aber gar nichts irgendwie mal einfach oder unkompliziert sein kann. Ohne große Ausnahmen.
Wenn ich etwas Neues in der Stunde kennenlerne freut es mich im Prinzip immer sehr. Ich habe jedes Mal das Gefühl einen kleinen weiteren Schritt näher zum Ziel zu kommen. Ich fühle mich etwas reicher. Auch wenn ich noch nicht weiß, wann und bei welcher Gelegenheit das Ganze anzuwenden ist. Bei den Vorzeichen muss ich mir diesbezüglich mal nicht den Kopf zerbrechen, das ist ausnahmsweise ganz klar für mich. Auch wenn ich an der schieren Menge erstmal verzweifeln möchte.
Jetzt brauche ich nur noch Musikstücke in welchen ich die „fis“ anwenden kann. In meinem Günther-Heumann-Selbstlernbuch habe ich einige entdeckt. Aber ich habe so gar keine Lust mehr, mir etwas aus diesem Buch zu erarbeiten.
Ich kann mich noch gut erinnern mit welcher Begeisterung ich mich in der ersten Zeit bis zum Start des regulären Unterrichts damit beschäftigt habe. Es ist meiner Meinung nach didaktisch gut für einen blutigen Anfänger aufgebaut. Man kann im eigenen Tempo daran arbeiten. Und ein kleines bisschen habe ich von meinem Selbststudium in den ersten Unterrichtsstunden auch profitiert, weil mir immer wieder mal das eine oder andere aus dem Buch zum Thema eingefallen ist.
Nun ist mir das längst zu schal oder zu einseitig. Ich brauche einen aktiven und unmittelbaren Austausch und jemanden der mich sehr schnell auf meine Fehler aufmerksam machen kann.
Ich kann nach wie vor bei mir beobachten, was für eine Art von Sensation das Klavierspielen und auch das Üben als solches für mich ist. Ich bin manchmal nach einer Stunde völlig durch den Wind oder wenn ich zuhause etwas länger geübt habe. Fühle mich hinterher total derangiert und brauche eine Weile bis ich wieder runterkomme. Ich vermeide es auch vor dem Schlafengehen zu üben. Da brauche ich unter Garantie erst mal nicht ins Bett zu gehen, so aufgedreht bin ich anschließend. Einmal habe ich den Fehler begangen mich nachts in einer schlaflosen Phase ans Klavier zu setzen. Dachte noch, wofür habe ich den tollen Kopfhörer und mein schönes Digital Piano, wenn ich mich nicht jederzeit daran setzten kann. Da war ich in jener Nacht gleich noch länger schlaflos und am nächsten Tag wirklich gerädert.
Aber ich ja bin lernfähig und unterlasse jetzt solchen nächtlichen Unsinn.
Meine Begeisterung für das Klavierspielenlernen insgesamt hält an und ich kann noch keine Ermüdungserscheinung erkennen, oder das ich mein Projekt demnächst fallen lassen muß. Ich staune immer wieder darüber was so alles dazu gehört und bin unendlich fasziniert von Tönen und Klängen.
Mein Lernumfeld erscheint mir selbst sehr gut. Ich erfreue mich an meinem sehr schönen und wohlklingenden Klavier in einem, ich nenne es mal, mein Klavierzimmer. Vorher war es eine Art Utilityroom, gefüllt mit allerlei Gegenständen und Gerätschaften aus der Wohnung, die in diesem Extrazimmer verstaut werden konnten. Das ist mit dieser Bezeichnung, schon eine Art purer Luxus für mich. Der Unterricht an der Jazzschule ist sehr lebendig und anregend. Manchmal habe ich zwar ein bisschen den Eindruck, das der Dozent etwas überambitioniert mit mir ist. Aber vielleicht kann er richtig einschätzen das ich die Anforderungen auch bewältigen kann. Und hat deshalb Zutrauen zu mir. Mehr als ich selber zu mir.
Also der Kontext unterm Strich stimmt.
Klar habe ich zwischen drin immer wieder Motivationdowns, weil ich häufig an mir zweifle. Eigentlich eher ständig wenn ich ehrlich bin. Ich fang an zu grübeln und sehe nur das was ich nicht kann und rede mir ein, das ich das auch nie lernen werde. Weil als Anfänger zu alt, zu untalentiert, zu langsam und und und.
In klaren Momenten merke ich wie ich mir damit selbst ein Bein stelle. Auch wenn ich mir darüber bewußt bin, schaffe ich es nicht gelassen zu bleiben und zu sagen, „Gib dir Zeit, bleib ruhig und freu dich am Lernprozess als solchen. Lernen ist nun mal mit Anstrengung verbunden. Mit Selbstüberwindung. Mit der Erkenntnis das man immer zu wenig weiß“.
Das ist wahrscheinlich ein mindestens genauso großer Lernprozess durch den ich gehen muß, wie mir das Rüstzeug erlernen zum Klavierspielen. Und ich kann noch nicht mal mit Bestimmtheit sagen, welcher von den beiden der schmerzhaftere oder schwierigere Weg ist.