Musikalisches Intermezzo – ICAK 2022

In diesem Jahr ließ sich nur eine Chorwoche realisieren. Im Februar musste das Laudate Dominum ein weiteres Mal aus Sicherheitsgründen wegen Corona abgesagt werden. An der Chor- und Orchesterwoche in Hinterschmiding durfte ich nicht teilnehmen, weil ich in den bayrischen Pfingstferien keinen Urlaub gewährt bekommen habe. Die Kollegen, die Eltern von schulpflichtigen Kindern sind, haben verständlicherweise Vorrang.
Also habe ich mich ganz besonders auf die zehn Tage von der ICAK, der Internationalen Chor Akademie in St. Pölten gefreut.

Das dort ein veritabler Corona Cluster entstehen würde war weder geplant noch erwünscht gewesen. Das ich unglücklicherweise voll mit dabei war, halt mein kleines und persönliches Pech. Am ersten Tag hatte es bereits den ersten Fall (ausgerechnet im Jazz Studiochor!) gegeben und anschließend hat es sich schneeballartig in alle weiteren Studios verbreitet. Am Mittwoch fühlte ich mich müde und matt und mußte am Donnerstag früh nach einer fürchterlichen Nacht zwei rote Stricherl am Test ablesen. Um 7 Uhr morgens habe ich fluchtartig das Haus verlassen und bin trotz Fieber mit dem Auto zurück nach Hause gefahren.

Das war jetzt nur ein Auftakt für diesen Blogbeitrag.

Herr unser Herrscher.

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Sollte etwa jemand der Leserinnen und Leser meines Klavierblog-Beginner genauso begeistert wie ich sein? Von dem kleinen Kunsthandwerk das da im Plenum vor mir saß? Den tollen Einfall, die ersten sieben Takte aus dem Eingangschor auf ihre Bluse zu sticken, hatte Sonja K aus W. Sie hat mir ihre Erlaubnis erteilt, die Photos die ich davon gemacht habe, in diesem Blogbeitrag zu verwenden. Herzlichen Dank dafür und ich bin von der schönen Idee und dem sorgfältig ausgeführem Endergebnis immer noch schwer beindruckt. Das Hauptwerk wäre Bachs Johannespassion gewesen. Das ist auch für zehn Tage mit intensivem Wechsel von Studio und Plenum ein engagiertes Ziel. Im Prinzip funktioniert das nur, weil die meisten der Teilnehmer das Werk wenigstens einmal oder aber auch schon öfters aufgeführt haben. Ich habe es vor dem ersten Lockdown 2020 mit meinem Schwabinger Kirchenchor über einen längeren Zeitraum einstudiert. Es kam leider ebenfalls nicht zu einer Aufführung, aber die Passion ließ sich trotzdem noch gut abrufen. Ich konnte viele der Turbachöre und Choräle auswendig und damit kann man sich im Plenum ein wenig entspannen und dafür den Herausforderungen im Studio Chor ins Gesicht blicken. Meiner Meinung nach eh immer die größere Schwierigkeit. Bei meiner ersten Teilnahme an der ICAK wurde ich in den Oberstimmenchor eingeteilt. 12 Sängerinnen: vier Sopran 1, vier Sopran 2 und vier Altistinnen. Wir sind bekanntermaßen eh immer am schüchternsten und trauen uns nicht laut zu singen. Diejenigen, die aus dem Sopran 1 in den Sopran 2 versetzt werden, (meist aus guten Gründen!) sind beleidigt weil sie nicht mehr die Oberstimme führen dürfen. Durch diese fein ausgewogene Chorpsychologie mußte die Chorleiterin mit großem Geschick lavieren. Und weil der Alt trotzdem einfach nicht lauter singen wollte, hat sie sich während der Proben zum Alt dazugestellt und von dort aus dirigiert und selbst mitgesungen. Wunderbar! Es gibt nichts schöneres als einen Chorleiter 30 cm neben sich stehen zu haben, der dann jeden Fehler gleich mithören kann. Hätte damals fast das Studio geschmissen. In diesem Jahr gab es im Jazzchor eine witziges Angebot an Stücken. Wie immer sucht der Dozent sehr interessante Lieder aus. Er muß haarscharf ausbalancieren ob wir das schaffen oder ob wir damit baden gehen werden. Es gibt jedes mal ein echtes „Zitterpartie-Stück“, eine große Herausforderung, an der wir im Prinzip aus uns heraus wachsen können. Andere Stücke laufen dagegen problemfreier und wir proben uns entspannt durch Text und Melodie. Es gibt die Möglichkeit sich bei einzelnen Stücken solistisch an einer Improvisation zu versuchen, da gibt es echte Talente. Eine Französin, die von allen wegen ihres sehr liebenswürdigen Charmes geliebt wird, kann sich da besonders gut einbringen.

Das schöne an der Woche ist, das in jedem Jahr viele Wiederholungstäter dabei sind und man freut sich auf die bekannten Gesichter. Der Hauptreferent ist emeritierter Professor für Chorgesang. War der Gründer vom Schönberg Chor, einem professionellen Chor, und verliert trotzdem mit uns Laien nicht seinen Humor und sein Temperament. In seinen besten Momenten verbindet er in Personalunion einen musikalischen Philosophen und Fatalisten zugleich. Wenn er zum Beispiel bei einer schwierigen Passage dem Chor ein motivierendes „Toi Toi Toi“ vorausschickt. Einen wahren Augenöffner hatte ich in einer der Proben als wir den Eingangschor einstudiert hatten und er die Fugen musikalisch-theoretisch erläutert hat. Plötzlich habe ich die ganzen Strukturen verstanden und tatsächlich auch sicherer singen können. Daran erkennt man seine große Erfahrung in der Chorarbeit.

Es besteht die Möglichkeit an Dirigieren teilzunehmen, als Täter oder auch als Stimmvieh. Oder es gibt die Option sich bei Gehörbildung einzuschreiben. Das mache ich immer sehr gerne. Wir singen Intervalle und Akkorde: gemeinsam nach oben, nach unten oder auch gegenläufig. Es werden Kirchtonleitern erklärt und dann damit die Akkorde durchgegangen. Das macht Spaß. Sozialer Höhepunkt ist das Karaoke, das wie in jedem Jahr, Entdeckungen und Überraschungen anbietet. Bei vielen Teilnehmern gibt es echte Verbesserungen zu hören. Sie geben sich ein Jahr Zeit für die Vorbereitungen und arbeiten an Ausdruck und Phrasing. Es ist schön und rührend zugleich zu erkennen wie wichtig das für viele ist.

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Habe ich schon mal erwähnt, das das Essen in St. Pölten hervorragend ist? Schon fast ein wenig zu reichhaltig, Mittags vier Gänge, abends "nur" drei. In der Früh ein reichhaltiges Büfett, das alleine reicht schon fast für den halben Tag.
Ein nettes Cafe ist im Haus integriert, das ich wegen meiner hämmernden Kopfschmerzen mehrere Male am Tag aufsuchen mußte. Ich bilde mir immer ein, das sie nach einem Kaffee besser werden. Aber bei einer Coronainfektion ist das Koffein ein klarer Verlierer.

An einem Abend gab es Volkstanzen mit Livemusik. Darauf freuen sich viele, auch viele von den jungen Teilnehmer, die diese Tänze wie Polka oder Zwiefachen sogar gut tanzen können. Allerdings vermute ich, das der Abend wie ein Brandbeschleuniger gewirkt hat, was die Corona Situation anbetrifft.

In der Mittagspause, während der wenigen Tage die ich dabei war, habe ich es immer geschafft entweder Flöte oder am Klavier zu üben. Das ist in diesem Jahr etwas ausgeglichener gewesen als im letzten Jahr als ich nur Flöte gespielt habe. Das verschafft mir ein gutes Gefühl.
Einen ganz wunderbaren Moment hatte ich, als ich in dem Park nebenan geübt hatte und sich vier kleine Kinder vor mich hingestellt hatte und zu der Melodie von „Morning has broken“ getanzt haben. Den Müttern war das fürchterlich peinlich, ich aber habe mich nicht gestört gefühlt und sogar darüber gefreut.

Ein andermal hatte ein Vater mit seinen zwei Jungens Fußball auf der Wiese gespielt und sich mit einem „Oh, wie schade das Sie aufhören“ von mir verabschiedet, als ich gegangen bin. Solche Sätze tun mir sehr gut, weil ich ja nach wie vor eine Anfängerin bin. Das kann auch jeder hören, aber scheint niemanden so richtig zu stören.

Nach meiner Abreise kam es zu weiteren coronabedingten Ausfällen und frühzeitigen Abreisen. Die übriggebliebenen haben sich fest zusammengeschlossen und eine „Jetzt-erst-recht“ Mentalität entwickelt. Sie wollten das Beste aus der Situation machen und habe sich sehr tapfer bemüht die Passion trotz der schwierigen Umstände zu einem würdigen Abschluß zu bringen.

Also: ich bleibe gespannt wann ich das nächste Mal die Chance haben werde, die Johannespassion von J.S.Bach aufzuführen.

 

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