Körperhaltung

Juni 2022


Haltung322„So! Wenn wir am Klavier üben, setzten wir uns als allererstes etwas pianistischer hin. Aufrechter Rücken und beide Füße auf den Boden.“ Das war eine der Lieblingsansagen vom Jazzpianodozenten, wenn ich mich in gewohnter Haltung vors Klavier hinlümmeln wollte. Meine Füße suchen zum Abstellen immer den Absatz den ich an meinem elektronischen Klavier habe. Wenn sie nichts finden, wie an dem Klavier in der Jazzschule, verknoten sich die Füße und machen was sie wollen.

Haltung222Diese Aufgabe mit den sechzehn Takten, die ich im Raster zu den vier Akkorden anwenden soll, klappte leider nicht so gut. Ein paar von den Takten hörten sich manchmal richtig an und dann versuchte ich sie organisch miteinander zu verbinden. Wenn ich überlegen mußte bei welchem der vielen Akkorde ich grad noch mal war, ging ich gleich gründlich verloren.
Bei solchen Übungen braucht man schon viel Geduld und Langmut mit sich selber. Ich werde beim Erlernen einer neuen Sache bekanntermaßen oft mit großem Selbstzweifel konfrontiert. Diese Unsicherheiten können für mein Gegenüber und auch für mich anstrengend und ernüchternd sein. Ich weiß häufig nicht genau was der Dozent von mir erwartet oder,  und das ist noch blöder,  was ich selbst von mir erwarten kann.

Und dann schaffe ich es nicht zu lange mich da hinein zu beißen. Das geht nur für eine gewisse Zeit gut denn ich verliere schnell die Konzentration. Wenn das Ganze nicht so klappt wie ich mir das wünsche, werde ich auch oft noch sauer auf mich.

 

Ich habe jeden meiner drei Klavierdozenten mal die Frage gestellt auf welche Dinge sie achten, wenn sie einem anderen Musiker zuhören. Ich habe sehr unterschiedliche Antworten erhalten. Mein erster Jazzpianodozent sagte damals, er achtet darauf ob der Ausführende entspannt beim Musizieren wirkt. Das hat mich etwas überrascht. Ich dachte man achtet auf rhythmische oder stilistische Unsauberkeiten oder ähnliches. Nach einer Ausbildung wie der an der Neuen Jazzschool hat man ja das Know-how dafür und erkennt diese Dinge gut. Aber die Auskunft das man versucht zu erkennen ob jemand in entspannter Haltung spielt, fand ich ungewöhnlich.

Der neue Jazzpianodozent ist der Ansicht, das er Tricks und musikalische Angebereien von anderen Pianisten, die aber beim Publikum etwas her machen, sehr gut herauslesen kann. Dann hat er gezögert und zugegeben, das sich mit mehr Wissen das Spiel der Kollegen beim Zuhören ein wenig entzaubert.
Das war die Rückmeldung, die ich am ehesten erwartet hatte.

Mein klassicher Klavierdozent sagt, für ihn ist der allererste Ton sehr wichtig. An ihm kann er bereits erkennen, ob er sich von dem Stück berühren lassen wird. Wieviele Kollegen hat er schon technisch ausgereift spielen gehört und ist trotzdem innerlich ganz kühl geblieben? Es muß in ihm beim Zuhören einen Widerhall geben. Das ist eine Antwort die sehr gut zu diesem unheilbaren Romantiker passt.

Alle drei, und das hat mich wirklich bewegt, haben überzeugend und voller Sehnsucht eingestanden, das sie wegen ihrer streng getakteten Zeit, (Zeit die sie anderen Menschen widmen müssen), nichts lieber täten als stundenlang, ungestört an ihrem Instrument zu üben.
Der erste hatte sich einen freien Tag ohne Schüler organisiert um dem nachzugehen. Der zweite Dozent muß sooo viele, vielleicht sogar zu viele, bestimmt auch faule (und ebenso untalentierte) Schüler wie mich unterrichten.
Der klassische Klavierlehrer möchte sich neben dem Unterrichten auch noch den kleinen Kindern seiner Familie widmen. Aber das Bedürfnis alleine für sich zu spielen, zu üben, kreativ zu sein, sich in den Tönen und Melodien verlieren um dann in der Musik abtauchen zu können, ist bei allen drei sehr spürbar.