Februar 2022
Der Reiter läuft ganz gut. Das Stakkato liegt mir. Erstaunlich. Die linke Hand hinkt noch ein wenig, aber das wird hoffentlich schon noch. Weil er, für meine Verhältnisse, schon okay ist, hab ich ich den nächsten Schumann auf der to-do Liste.
Das stört mich kein bisschen, weil ich glaube Schumann passt ganz gut zu mir. Hätte ich mir vor drei Jahren niemals träumen lassen. Ich dachte ich will nur Bach und Barock spielen, vielleicht ein paar leichte Stücke aus dem Jazz. Ragtimes und Boogie Woogies oder ähnliches.
Das neue Stückchen, (es ist wirklich winzig weil nur vier Zeilen lang) heißt „Erster Verlust“. Das wäre dann nach dem armen Waisenkind, der Melodie, dem wilden Reiter mein viertes Stück aus dem Album der Jugend.
Ich habe die Klaviernoten einem Clavioforum Mitglied abgekauft. Sie hat ihre Markierungen und Anmerkungen drinnen stehen gelassen. Das ist sehr gut für mich. Ich selber habe mir vorgenommen keine Bezeichnungen reinzuschreiben, höchstens Fingersätze. Aber wenn ich zu oft einen blöden Fehler mache, dann markiere ich ihn mit Neonfarben: das heißt Achtung! Wenn die Noten schon drinnen stehen, ist das halt so. Und das erleichtert mir ein wenig das Lesen und das Übersetzen der unbekannten Noten geht etwas schneller.
Die Engelstimmen von Burgmüller kann ich meist auswendig spielen. Bei diesem Stück habe ich ebenfalls mit der linken Hand etwas Schwierigkeiten. Das sind ähnlich wie beim Reiter C-Dur Akkorde und die wollen einfach nicht so leicht gespielt werden wie die Läufe in der rechten Hand. Ich starte immer damit, ganz langsam, damit sie im Fingergedächtnis drin sind, ich so ungefähr weiß wo und wie weit die Abstände sind in den verschiedenen Stellungen. Dann beginne ich von vorne und kaum wechselt die Melodie in die linke Hand gerate ich wieder ins Stolpern und Stocken. Ach ja.
Wie war das noch mal mit dem Klavierspielen? Geduld, Nachsicht, Freundlichkeit, gutes Zureden, tiefes Einatmen, mal ein kleiner Kaffee mit einem Keks zur Motivation oder als Belohnung. Aber ich könnte mir mein Leben schon etwas leichter machen, wenn ich mir meinen Traum in der Realität nicht erfüllen würde, sondern weiter träumen wollte.
Ein uraltes Lebenskonzept das ich gut finde, heißt „Eudaimonia“ und ist entscheidend geprägt von, natürlich von wem sonst, den Gedanken Aristoteles. Es wird oft mit Glück übersetzt, aber das ist zu kurz gegriffen. Es bedeutet eher etwas wie eine gute Lebensführung, sein eigenes Potential entfalten. Im Einklang mit sich selbst zu leben, selbstgenügsam, mit Gemütsruhe die eigenen Stärken verwirklichen. Man versucht Ziele zu erreichen, die einem wichtig sind, auch wenn der Weg dorthin mitunter steinig werden wird. Ich muß beim Klavierspielenerlernen häufig an dieses Axiom denken.
Ich sehe diesen Gedankengang selbstverständlich nur von meiner ganz persönlichen und kleinen Warte aus. Und zimmere mir diesen Grundsatz für mich passend. Weil mein Klavierspielen für das Gemeinwesen mit keinerlei Nutzen verbunden ist.
Außer vielleicht dem Nutzen das zwei Klavierlehrer von mir bezahlt werden um mir diese wunderschöne Fähigkeit beizubringen.
Der Jazzpianodozent, energisch wie immer, …. . Er sagt, er unterrichtet "Mannenberg" zur Zeit mehreren seiner Schüler. Ich vermute mal bei mir wird es am längsten dauern, das einigermaßen hinzubekommen. Dieser vertrackte Rhythmus! Natürlich spart er sich Vorbereitungszeit wenn alle das gleiche machen. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob es schon eine gute Wahl für mich ist.
Ich übe ordentlich um es in die Finger zu bekommen. Dann lasse ich das kleinen Handyvideo laufen und versuche mitzuspielen. Herrjeh. Ich bin so schlafmützig, das die Hälfte vom Video schon vorbei ist, bis die Finger mitlaufen können. Nochmal von vorne. Gut das mir niemand bei meinen Versuchen zuschauen kann.
In der nächsten Unterrichtsstunde kann man so ganz grob erkennen das ich zwar geübt habe, aber den Rhythmus nicht verstanden haben.
Das habe ich schon befürchtet, denn nun stehen Rhythmusübungen an. Der Dozent versucht mit mir Stufe um Stufe nach unten zu steigen um irgendwann dann mal in der Tiefe einen Grund zu finden auf dem man sicher stehen kann um die Übungen aufzubauen. Ein bisschen tut mir der Junge leid, ich bin schon ein harter Fall.
In der nächsten Stunde habe ich den ¾ Takt so toll geübt, das irgendwas mit einem 9/12 Takt rausgekommen ist! Er hat bestimmt etwas anderes gesagt, aber es muß schon ziemlich verrückt gewesen sein, was ich da hinein interpretiert und er heraus gehört hat.
Weitere Rhythmusfoltereien für mich. Ich soll den Fuß auf dem Boden tappen lassen, mit dem Kopf dazu nicken, den ganze Körper mitschwingen lassen. Er findet auf seinem Handy einen passenden Rhythmus, ich soll dazu singen.
Ich schreie: „NEIN“. Am liebsten würde ich zählen, das scheint mir unter diesen Umständen und zu diesem Zeitpunkt noch am wenigsten schlimm zu sein. Aber er ist ziemlich unnachgiebig.
Für die nächste Stunde habe ich nichts vorbereitet. Ich habe das Gefühl am Ende der Fahnenstange angekommen zu sein. Habe offen zugegeben gar nichts geübt zu haben und schüchtern vorgeschlagen, etwas ganz Neues anzufangen. Dann habe ich mir eine Viertelstunde lang Gründe anhören müssen, warum ich unbedingt weitermachen muß und am Ende, naja, habe ich halt weitergemacht. Er hätte mit seiner Überzeugungskraft auch Politiker werden können.
Ok. In dieser Stunde hat zu mindestens eine winzige Kleinigkeit funktioniert. Die vier Akkorde links für die Improvisation habe ich ja schon ein bisschen in den Fingern, zählen kann ich sie auch. Nun soll ich mit nur einem Ton rechts die Akkorde begleiten. Und das klappt sogar.
Zuhause bin ich mutiger geworden und habe es mit zwei Tönen aus der Pentatonik heraus probiert. Dann mit dreien. An ganz guten Tagen geht es sogar mit allen fünfen. Ohne das ich versehentlich auf die zwei komme, die sich nicht gut anhören: an das "E" und an das "H".
Ich sollte mich mit diesem Wissen gut fühlen, befürchte aber, das sich in der nächsten Stunde heraus stellen sollte, das ich eh wieder lauter Schmarrn gemacht habe.