November 2021
Oje. Die Zahlen steigen schon wieder. Meine Chorleiter beobachten die Kurven mit Sorge. Alles schon mal gehabt, schon mal durchstehen müssen. Nichts hat sich geändert. Herrgottnochmal!
Sollte es wieder zu Schulschließung kommen, werde nicht nur ich ziemlich genervt sein.
Im klassischen Klavierunterricht kann ich die Arpeggien aus dem Burgmüller etwas flüssiger spielen. Die gewünschten Dynamiken bekomme ich aber noch nicht hin. Am Anfang des Phrasierungsbogen leise beginnen, ein heiteres Forte zur Mitte hin und am Ende bitte ein solides Piano. Nicht so einfach. Mein Klavierlehrer spielt es mir leichthändig und elegant vor. Ach. Wenn ich das nur auch so schön spielen könnte!
Auf meinem Digitalpiano lasse ich ab und zu die eingespielte Version zur Erinnerung und Aufmunterung ablaufen. Nicht ganz so hübsch interpretiert wie ich sie live im Unterricht zu hören bekomme. Aber immerhin habe ich jetzt herausgefunden, wie ich diese Stücke langsamer einstellen kann. Dadurch bin ich in der Lage sie mit meinen Noten mitzulesen und auch geistig zu verfolgen.
Das kleine Bachpräludium holpert noch etwas. Ich wage einen ketzerischen Gedanken. Einen wirklich sehr ketzerischen Gedanken! Kann es möglich sein, das Musik von Bach schöner anzuhören ist, als sie selbst zu spielen??? Ich empfinde, so klein das Preludio ist, es als etwas sperrig. Selbst wenn der Dozent das Präludium spielt, werde ich nicht ganz so warm damit. Diese Erkenntnis überrascht und schockiert mich.
Ich weiß, man kann Schumann keinesfalls mit Bach vergleichen, aber wie viel mehr Freude hatte ich beim Erlernen von der „Melodie“. Oder beim „Armen Waisenkind“. Die beiden sind ungleich melodischer und ich habe den Eindruck, das ich ein winziges bisschen einen Affekt hineininterpretieren kann. Also nicht nur, wie üblich und im besten Fall, die richtigen Tasten hinunterdrücken.
Das „Arme Waisenkind“ versuche ich zur Zeit einmal in der Woche zu spielen. Die Schwierigkeiten auf die ich beim Wieder-Einüben stoße, sind die gleichen wie im letzten Jahr. Oder ist das nun schon zwei Jahre her? Aber wenigstens geht es diesmal schneller wenn ich mich zu orientieren versuche.
Im Jazzpiano Unterricht stolpere ich weiter über meine eigene „gute“ Idee. An einem Dienstag hatte der Dozent auch eine tolle Idee. Ich soll die ersten vier Takte vom „Menuett in G“ einen halben Ton höher spielen. Dann einen Ganzton höher. Und weil das so lustig war, eine Quart unterhalb anfangen. Am Ende waren alle weißen Tasten dran. Das Unterrichtsende war noch nicht in Sicht. Also auch noch von den schwarzen Tasten aus ansteuern. Mein Aufstand dagegen wurde energisch beiseite geräumt. „Keine Widerrede! Los jetzt.“
Es war ein elendes Herumgesuche auf den Tasten, aber man hört sofort ob die richtige Note erwischt wurde oder nicht. Und so ganz zum Schluß habe ich die Abstände immer einfacher gefunden, die vier Takte waren schneller richtig. Hat mir am Ende sogar ein bisschen Spaß gemacht. Ich denke mal die Intention von der Aufgabe war, das ich die Intervalle in dem Tonkonstrukt leichter erkenne.
Ich bin nicht sicher, wahrscheinlich habe ich mich auch verhört, aber bei der Verabschiedung habe ich, glaub ich, ganz leise das Wort „Lob“ aus dem Mund des Dozenten vernehmen können.
(Beide Fotos in dem Beitrag sind von @pianoaesthetics)
In der nächsten Stunde sollte ich mir im Geiste vorstellen wie die Topographie vom Klavier aufgebaut ist. Im Prinzip kenne ich mich da schon aus, nur kann es trotzdem manchmal passieren das ich etwas verwirrt bin und das C mit dem F verwechsle und das G mit dem A. Aber ein Stück im Kopf auf der Tastatur zu visualisieren fällt mir dagegen echt schwer.
Wenn ich mal nicht schlafen kann, probiere ich das gelegentlich aus Langweile heraus. Versuche in Gedanken das aktuelle Stück zu spielen. Aber es ist nie sicher abzurufen und bleibt nebelverhangen.
Für jemanden wie dem Jazzpiano Dozenten ist so ein Nichtwissen kaum vorstellbar. Er war bestimmt noch ein Kind als er Klavierspielen gelernt und eine Begabung und Leidenschaft für Musik entwickelt hat. Nun spielt schon lange und auch auf mehreren Instrumenten. In diesem jungen Alter kann sich in den Gehirnwindungen leichter eine Art Landkarte mit den Abständen der Akkorden, der Töne und Harmonien anlegen.
Meine Finger werden dann blind auf eine Reise über die Tastatur geschickt. Zaghafte Einwände, Proteste und Ablenkungsversuche gnadenlos unterbunden. „Bitte ein G finden und die Oktave runter.“ „Eine Sexte nach oben, kleine Sekunde nach unten.“ „Große Terz nach unten.“ Usw. Ich kann leider nie richtig hören ob ich richtig oder falsch bin. Bei dieser Expedition brauche ich eine Begleitung an meiner Seite die das koordinieren und gleichzeitig korrigieren kann.
Die Übung soll die musikalische Vorstellungskraft und das Gehör schulen. Die Finger gewöhnen sich mit der Zeit an die Abstände und das leuchtet mir ein. Sicherlich wäre es gut, wenn man in jeder Stunde ein paar Minuten dafür verwenden würde.
Das ist wieder eine Situation wo ich bedauere das sich keine Doppelstunde realisieren ließ. Die dreiviertel Stunde ist in jeder Woche viel zu schnell vorbei. Im klassischen Klavierunterricht haben wir von Anfang an eine ganze Stunde eingeplant und der erweiterte Zeitrahmen ist für mich um einiges besser. Bin ich doch nicht die schnellste im Aufnehmen von Informationen.
Beide Anregungen haben mir aber ein bisschen Spaß gemacht, auch wenn ich wie ein Rohrspatz dabei geschimpft habe. Das ist mal ein ganz anderer Ansatz und für meine Wahrnehmung sicherlich sehr hilfreich. Und vielleicht klärt sich bei solchen Ausflügen der blinde Fleck langsam etwas auf.