September 2021
In diesem Sommer hat sich keine Summer Folie für mich ergeben. Der Clavierchord Bauworkshop wurde für Ende September geplant und leider hatte der Dienstplan in diesem Zeitraum keine Urlaubstage mehr für mich übrig gehabt. Sehr schade.
Aber ich freue mich auf meine beiden Klavierlehrer. Der Jazzpianodozent beginnt an der Neuen Jazzschool sein pädagogisches Aufbaujahr und steht mir glücklicherweise wieder zur Verfügung. Zu meinem Bedauern konnte sich keine Doppelstunde mit uns realisieren lassen. Ich war mit meiner Anfrage dafür zu spät dran und zu diesem Zeitpunkt war der Stundenplan von der Schule schon fertig ausgearbeitet. Dieses Vorhaben wäre selbstverständlich völlig verrückt gewesen, finanziell gesehen, aber die Doppelstunden nach den Lockdowns haben mir gut getan. Ich brauche ja immer so lange bis ich etwas verstehe oder umsetzen kann. Meine Mutter meint, das sei in meiner Kindheit schon so gewesen. Ich habe immer furchtbar „rumgedritschelt“, wie man in Bayern sagt, und es verwundert sie nicht, das es heute immer noch so wäre.
Er unterrichtet nun neben seiner Ausbildung noch mehr Schüler als im letzten Jahr. Hoffentlich überfordert er sich damit nicht. Meinte aber das Anfang des Schuljahres noch viele mit Begeisterung dabei wären. Dann nach einiger Zeit erkennen müssen, das ein Musikinstrument erlernen viel Mühe und Engagement kostet wenn man voran kommen möchte. Und dann kühlt die musikalische Begeisterung schnell ab und der Vertrag wird wieder gekündigt.
Mein klassischer Klavierlehrer ist wie immer guten Mutes und zeigt sich erfreut darüber, das ich die Melodie von Schumann und die Etüde von Kabalewsky noch spielen kann. Für meine Verhältnisse gehen sie ganz gut und er findet das ab und zu sogar ein etwas pianistischer Ausdruck zu erkennen wäre.
Das ist tatsächlich eines von vielen Dingen, die mich an mir selbst stören. Manche Stücke kann ich mehr oder weniger richtig spielen. Aber sie hören sich nie so an, wie ich denke, das sie sich anhören könnten. In meinem Kopf stelle ich sie mir ganz anders vor. Aber meine Finger schaffen es nicht, das innerliche Empfinden umzusetzen. Ich hoffe, das ich das eines Tages mal lernen werde.
Der Klavierpädagog notiert mir einige seiner Lieblingsstücke auf, die er besonders schön findet.
Ich erinnere mich, als wir 2019 das Verdi Requiem einstudiert hatten, hat unser Chorleiter einmal die ersten sieben Takte aus dem Werk gespielt. Er wollte das die Männer, die als erstes einsetzen, ganz besonders weich und sensibel singen und wir Frauen zwei Takte später ebenso. Er hat diese wenigen Töne so unglaublich schön gespielt, das ich Gänsehaut bekommen habe. Ich dachte völlig übermütig, es sind ja wirklich nur wenige Noten, auch nicht besonders schwer, das schaffe ich so ähnlich auch. Damals ist mir schon aufgefallen das es ein enorme Diskrepanz zwischen dem inneren Hören und dem Spielen auf einem Instrument gibt.
Der Jazzpianodozent hatte mir aufgetragen mir ein Stück auszusuchen an dem wir im neuen Schuljahr arbeiten könnten. Ich hatte keinen besonderen Wunsch was ich einmal spielen können möchte. Oder an dem ich am Ende verzweifeln werde, weil es zu schwer für mich ist.
Keine Ahnung ob es ein dummer Einfall ist, aber ich habe stattdessen vorgeschlagen das kleine „Menuett in G“ von Christian Petzold zu „verjazzen“. Es heißt ja das Barockmusik und der Jazz nicht so weit auseinander sind oder wären. Und bei diesem Stück muß ich mir schon mal nicht die Noten erarbeiten, ich kann es auswendig und auch mit geschlossenen Augen spielen. Das würde mir die Anfangsarbeit etwas erleichtern. Das Menuett ist im Dreivierteltakt geschrieben und durch das „Greensleeves“ im vergangenen Schuljahr fühle ich mich darin noch ein wenig zu Hause. Also zählen könnte ich es wenigstens, falls ich unbedingt müßte.
Der Dozent war etwas überrascht von meinen Vorschlag, fand ihn aber, glaub ich, nicht uninteressant. Er meint zwar, das Barock nicht zwingend dem Jazz nahe wäre. Schubert oder Mozart wären dafür genauso gut geeignet. Ich glaube aber, das er aus sportlichen Gründen zu gerne eine andere Meinung und Position gegen etwas einnimmt.
Er setzt sich mit den Noten hin und kann aus dem Stegreif über die Harmonien zu der Melodie etwas improvisieren. Hört sich toll und etwas jazzig an und ich bin schwer beeindruckt. Unter dem Eindruck dieser Steilvorlage soll ich das auch versuchen und da tun sich auf der Stelle tiefe Gräben auf. Ich erkenne einen besorgten Ausdruck in seinem Gesicht. Ihm schwant jetzt schon das ganz grundlegend an vielen vielen Dingen mit mir gearbeitet werden muß.
Im klassischen Klavierunterricht beginnen wir ein neues Stück. Aus dem Opus 100 von Burgmüller haben wir schon lange nichts mehr gemacht. Mein Dozent sucht sich die „Engelsstimmen“ aus. Arpeggierte Akkorde am Anfang, geschrieben in G-dur. Ähnelt ein wenig dem kleinen Bachpräludium. Und hört sich wunderschön an. Auf meinem Digitalpiano ist es auch eingespeichert, allerdings ist die Version in einem Höllentempo gespielt. Die Noten prima vista spielen bis zum ersten Wiederholungszeichen gehen ganz gut und ich werde dafür gelobt. Es gefällt mir, wie eigentlich jedes Stück bisher aus diesem Opus, und ich freue mich das wir uns ein weiteres daraus erarbeiten.