Dezember 2020
Auf was für ein besonderes Jahr müssen wir zurückblicken. Corona hat uns fest ins Genick gepackt und tut es nun wieder. Die Menschen um mich herum teilen sich zunehmend in zwei Lager auf. Die einen sind verängstigt, checken Nachrichten abseits der Medien, erhalten alternative Informationen und versuchen sie für sich einzuordnen. Sie fühlen sich dadurch besser informiert als alle anderen. Gelegentliche und schwierige Diskussionen; sie ermüden mich sehr. Habe manchmal das Gefühl, ich möchte ein Jahr durchschlafen wegen soviel sturem Starrsinn.
Andere sind entspannter und ruhiger, reihen sich pragmatisch in die Vorgaben ein und haben dabei nicht das Gefühl sie werden damit überfordert.
Durch meine Arbeit bin ich nah dran. Der Arbeitsablauf muß penibel geregelt und konsequent mit allen Schutzmaßnahmen vollzogen werden. Unser Patientenklientel ist sehr vulnerabel, wie das nun so schön heißt.
Es hat sich im zweiten Lockdown bei ihnen und den Angehörigen eine Art von Gelassenheit eingestellt. Die Pflegebesuche werden nun nicht aus Furcht vor Ansteckung abbestellt.
Es ist sicher hilfreich das unsere Einrichtung bisher keine einzige Coronaerkrankung vorweist. Wir werden 3 x Woche getestet. Es mußten einige Quarantänemaßnahmen von Kolleginnen, die Kontaktperson ersten Grades waren, eingehalten werden. Aber bei keiner ergab sich bisher eine Ansteckung.
Auch ich kam in den „Genuss“ einer 10-tägigen Quarantäne. Hatte im Wochenenddienst eine Patientin versorgt, bei der die Infektion ausbrach. Sie hat sie leider nicht überlebt. Ich wurde im Gesundheitsamt mehrere Male, Gottseidank, negativ getestet. Die unmittelbare Auswirkung der Maßnahme: 4 ausgefallene Instrumentalstunden. Den Fotoworkshop für analoge Photographie konnte ich auch nicht antreten, musste aber trotzdem die Gebühr dafür entrichten.
Mein Sohn verbrachte 14 Tage in Quarantäne, ein Kollege war erkrankt. Ein zweites Mal, und das war richtig bitter, verfügte er sich wegen akuter Erkältungssymptomen eigenständig in eine. Ausgerechnet an Weihnachten, und somit mein erstes Weihnachten seit 28 Jahren ohne ihn. Das war nicht schön für unsere Familie.
Mein Klavierpädagoge mußte mit seiner Famile ebenfalls eine antreten, seine Tochter hatte im Kindergarten Kontakt mit einem infiziertem Kind gehabt.
Ich habe in diesem Jahr erfahren, wie es ist, wenn man systemrelevant ist. Das ist keine Auszeichnung wie sich herausgestellt hat. Von den Balkonen wurde freundlicher Beifall geklatscht, doch der Applaus ist längst verhallt. Es hat sich mit den Arbeitsbedingungen und im Ansehen der Bevölkerung nicht viel geändert, das war aber zu erwarten gewesen. Obwohl, wir Festangestellten erhielten einen staatlichen Coronabonus. Das war ein schönes und überraschendes Angebot, ich hatte insgeheim schon spekuliert für was ich ihn umsetze. Dann allerdings war Zeit für TÜV und Wartung und das Geld ist in das Auto investiert worden,
Das Reden mit der FFP2 Maske gestaltet sich als sehr strapaziös für die Sprechstimme. Ich habe keine besonderes volle oder tönende Stimme. Meine Patienten hören in der Regel nicht mehr gut, können wegen der Maske zur Unterstützung nicht mit Lippenlesen und verstehen mich deswegen viel schlechter.
Ich muß sie stets erheben und gegen das dämpfende Material ansprechen und das ist auf Dauer extrem anstrengend. Ich bräuchte eine Schulung wie ich damit umgehen lerne. Dieses Anschreien meiner Patienten halte ich nicht sehr lange aus. Mir bricht abends oft die Stimme einfach weg.
Wie für so viele Menschen andere auch, war in diesem Jahr kein Urlaub möglich. Ich weiß nicht, ob das Laudate Dominum als Urlaub zählt? Oder die zehn Tage Quarantäne? 10 Tage lang nichts tun dürfen. Das hat nach all der turbulenten Zeit in diesem Jahr tatsächlich was für sich gehabt. Als ich wieder in die Arbeit kam, waren die Kolleginnen fast neidisch. Wollten wissen ob Keller, Speicher und Kleiderschrank ausgemistet seien. Denn sie mußten in der Zeit meine Dienste übernehmen.
Ich vermisse das Kuschelige im Chor. Die Nähe und Wärme zu meinen Sitznachbarn. Es fällt mir schwer immer die physical distance einzuhalten. Keine Berührungen! Wenn man es so grob überschlägt, sind in allen drei Chören (und mit dem einen, in dem ich ab und zu fremd singe) vielleicht 180 Menschen, die singen wollen. Alles liebe Gesichter, die ich nun pro Woche nicht sehe.
(Die folgenden Werke habe ich alle nicht singen können)
Die Chöre hatten so schöne Konzertpläne, es konnte kein einziges aufgeführt werden. Allen voran die Johannes Passion! Dann den Messiah, das Brahms Requiem, das englische Konzert; die Carmina Burana wäre heuer auch mal wieder im Brunnenhof in der Residenz dran gewesen.
Im Sommer hat es ein ein Zeitfenster gegeben in dem Chorproben möglich war. Mit dem Montagschor haben wir von Mendelssohn einige „Lieder im Freien zu singen“ draußen geprobt. Ich kannte die Lieder und das Singen unter den Bäumen war ein wunderschönes Erlebnis. Genauso wie Felix sich das wohl bei einem lauschigen Waldfest vorgestellt haben mag. Nach vier Mal war leider Schluß damit.
Der Kirchenchor in Schwabing hatte einstündige Proben für die Sänger im Kirchenschiff angeboten. Dort war das Singen sehr schwer. Die Akustik ist nicht sehr solo-sänger-freundlich. 3 Leute in einer Reihe, die nächste leer, dann wieder drei in einer Reihe. Ich fühlte mich sehr verloren.
Im Kirchenchor in Germering mußten wir unseren jungen Chorleiter verabschieden. Das ist eine herbe Zäsur und ich bin im Zweifel ob der Chor darüber und auch wegen der langen Gesangspause hinwegkommen und überleben wird. So ein Abschied fühlt sich immer an, als wenn man von einem geliebten Menschen verlassen wird. Ich habe dies nun schon zum zweiten Mal erlebt. Weiß zwar das man einen Chorleiterwechsel überleben kann, trotzdem ist es jedesmal sehr schwer. Man sieht sich regelmäßig, fühlt sich verbunden im Dienste der gemeinsamen Sache, dem Erarbeiten und Aufführen eines Konzertes. Das schmiedet den Chor mit dem Chorleiter zusammen. Im Grunde betet man diesen Menschen an, er ist geradezu gottgleich für einen Chorsänger.
Der entzückende neue Ersatz für unseren Kirchenchor kam genau vier mal dazu, mit uns zu proben und dann war das gemeinsame Singen wieder verboten.
Verarbeiten mußte ich auch den Jazzpiano-Dozentenwechsel. Damals bei der Anmeldung war klar, das mich in jedem Schuljahr ein neuer Dozent unterrichten wird. Auf die Art und Weise wäre ich mit dem regelmäßigen Wechsel schon vertraut gewesen. Das ich das große Glück hatte, solange unter seinen Fittichen sein zu dürfen, war nicht geplant. Ich habe mich in der Zeit sehr an den ruhigen Ablauf bei ihm gewöhnt. Dennoch habe ich das Gefühl mit dem Neuen einen tollen Dozenten zugeteilt bekommen zu haben. Ich spüre, er weiß was er tut und dabei hat er mich fest im Griff.
Der Neue bleibt aber weiterhin der neue. Es findet seit vielen Wochen kein Klavierunterricht an der Neuen Jazzschool statt. Ich habe leider völlig vergessen wie er aussieht. Ich weiß nur noch, das er sehr lebhaft und immer in Bewegung ist. Ich befürchte, wir müssen wieder eine Art "erste Stunde" abhalten und uns nochmal neu kennenlernen.
Er hatte mich während unserer letzten Stunde gefragt, ob ich mit Online-Unterricht einverstanden wäre. Ich habe vorsichtig zu ihm gesagt, das er nun sehr sehr stark sein muß! Denn ich hätte kein Internet in meiner Wohnung. Daraufhin war er sichtlich geschockt, sein ungläubiger Blick hätte einen Oscar verdient. Für diese Generation ist es nur schwer vorstellbar ohne Zugang ins Netz zu sein.
Mir fällt es auch oft nicht leicht, das gebe ich gerne zu, aber ich nutze die Zeit für viele andere Dinge. Ich wüsste gar nicht, wo ich dann die Zeit dafür her nehmen sollte.
Die Schließung der Jazzschule am Tag nach unserer letzten Unterrichtstunde kam also für niemanden überraschend. Die stellvertretende Leitung ist nach wie vor sehr aktiv mit regelmäßigen Nachrichten, Infos über Veränderungen und Durchhalteparolen an ihre Berufsschüler und an uns Schüler vom offenen Unterricht. Da findet eine sehr verlässliche Informationsweitergabe statt und ich freue mich jedesmal wenn ich von ihr lese.
Auch mein klassischer Klavierlehrer befindet sich wie alle anderen Musiklehrer in einem Vakuum. Eine wirklich problematische Situation. Durch die Instagram Kontakte erfahre ich, das es in Italien, der Türkei, in England, der USA und Kanada genau dieselbe Konstellation gibt. Kein Unterricht, oder nur noch Online-Unterricht. Und viele Dozenten machen sich größte Sorgen um ihre Existenz.
Der kleine musikalische Ausflug auf dem Hackbrett in die bayrische Stubn Musi hat mir riesig Spaß gemacht. Ich finde, es ist ein tolles Instrument. Es war leider speziell mit diesem schwierig, weil es sich so schnell wieder verstimmt hat. Als ich es mit einem Dankeschön-Blumenstrauß zurück gebracht hatte, sah der Eigentümer etwas traurig aus. Ich glaube, er wäre heilfroh gewesen wenn er das Hackbrett losgeworden wäre.
Habe im Herbst, so nebenbei, dann noch ein paar Unterrichtsstunden an der Querflöte genommen. Die Flöte meiner Tochter ist angeblich noch in einem ziemlich guten Zustand, auch wenn es nur eine Schülerflöte ist. Sie wurde vom Flötenbauer überholt und es mußte gar nicht viel an ihr gemacht werden.
Ich habe recht schnell ein paar Töne auf ihr spielen können und scheinbar stelle ich mich nicht ganz so dumm an. Könnte sein, das ich weitere Stunden nehmen werde.
Natürlich fände ich es cool mit der Flöte Jazzmusik zu spielen. Wir haben zuhause oft die Platten von Hubert Laws, Yusef Lateef oder Roland Kirk abgespielt. Die Musik ist mir von früher vertraut.
Aber ich wäre dumm, wenn ich zweimal den gleichen Fehler begehen würde. Und mich als Anfänger auf einem neuen Instrument in den Jazzunterricht einzuschreiben. Ich versuche erstmal mich mit klassischem Unterricht auf dem Instrument zurecht zu finden.
Ach ja, und einen Blog werde ich über diesen Prozess auch schreiben. Habe schon eine Homepage dafür. Sie heißt "a-flute-rookie", der Flötenanfänger wäre in dem Fall ich. Es wurden schon zwei Beiträge veröffentlich. Wer sich fürchterlich langweilen sollte in diesen Tagen, kann ja vielleicht mal rüberwechseln und reinlesen: www.a-flute-rookie.de
Naja, immerhin, mein Erzählwille ist nach wie vor ungebrochen. Vielleicht kann man es auch Schwatzhaftigkeit nennen. Die Ablenkungen in meinem Leben sind zur Zeit sehr gering. Und im Führen eines Blogs habe ich inzwischen wirklich Erfahrung sammeln können. Was hat Joan Didion, so oder so ähnlich, mal geschrieben: „Wir erzählen Geschichten, um uns lebendig zu fühlen“. Vielleicht trifft genau das auf mich zu.
Ich habe den Jahreskalender von 2021 neben dem Kalender von 2020 auf meinem Küchentisch liegen. Normalerweise übertrage ich Ende Dezember die fixen Termine fürs neue Jahr und brauche ca. eine Stunde Zeit dafür. Alle Chorabende, Chorwochenenden, Chorwochen, jedes Konzert und die dazugehörigen Orchester- und Generalproben, Urlaube, Fortbildungstermine, Abokonzerte und Volkshochschulkurse. Viele schöne Termine, auf die ich mich freuen kann und die dem Jahr Struktur geben. Für nächstes Jahr habe ich nur einen einzigen Termin eingetragen: einen Zahnarzttermin. Wirklich sehr deprimierend.
Um endlich zum Hauptthema vom Klavierblog für Beginner zu kommen, ich habe es Zeile für Zeile vor mir hergeschoben. Eigentlich will ich es gar nicht aufschreiben, weil ich dieses Resümee nicht sehr schön finde.
Ich befinde mich tief unten in einem Tal von akuter Pianounlust. In einer veritablen Piano-übe-depression und hab so gar keine Freude mehr am Spielen. Es fällt mir extrem schwer, mich hinzusetzen, zu konzentrieren und zu üben. Vielleicht liegt es daran daß ich seit, gefühlt, Monaten keinen Kontakt zu meinen Klavierdozenten gehabt habe. Vielleicht liegt es an mir. Vielleicht liegt es zusätzlich an den schwierigen Arbeitsbedingungen, ich kann die Situation nicht konkret beschreiben oder besser einschätzen.
Hanon ginge theoretisch etwas. Aber das sind ja nur Fingerbewegungen und sonst gar nichts. Ich muß nichts von mir geben, das ist nur ein technisches Tasten-runter-drücken. Tempo völlig wurscht.
Der Debussy kommt über einen gewissen Punkt nicht hinaus. Hab ein paar Mal mit Mühe die restlichen Noten entschlüsselt, dann lange nicht geübt und alles wieder vergessen gehabt. Frustriert gewesen. Irgendwann mal halbherzig weiter gemacht, die Noten ein weiteres Mal gelernt. Dann keine Lust mehr gehabt mich ans Piano zu setzen und erneut alles vergessen. Noch frustrierter gewesen. Mein klassischer Klavierlehrer wird sehr traurig sein, wenn er hören muß, das so gar nichts weiter gegangen ist.
Das kleine Mozart Ballett geht zwar noten-technisch etwas besser, wird deswegen aber nicht viel tänzerischer.
Der Blues von Chet Baker ruckelt weiterhin, außerdem langweilen mich inzwischen die Töne. Habe zudem Angst, das ich am Ende des Schuljahres immer noch an dem guten Stück rumübe, weil sich tausend neue Baustellen auftun, wenn wir eines Tages, in ferner Zukunft, weitermachen werden.
Übe ab und zu die Terzen die mir der Jazzpianodozent in der letzten Stunde gezeigt hat. Würde am liebsten mit Quinten weitermachen. Bin aber nicht sicher ob sie richtig sind, so wie ich sie mir ausgedacht habe. Er wird ebenfalls sehr enttäuscht über mich und den nicht hörbaren Fortschritt sein.
Kann ich am Ende des Jahres 2020 besser Klavierspielen als Anfang 2020? Nein, eine Frage die ich leider nicht mit frohen Herzen bejahen kann. Hab das düstere Gefühl ich dreh mich, pianistisch gesehen, ausweglos im Kreis herum. Kein Fortkommen, keine neuen Erkenntnisse. Schwierigkeiten bleiben Schwierigkeiten und können nicht aufgearbeitet werden.
Ich habe in diesem Jahr zwar mal eine leise Vorstellung gewinnen können, wie es sich anfühlen würde, Klavierspielen zu können. So viel habe ich inzwischen gelernt, Aber ich bin so weit entfernt wie noch nie von meinem Wunsch es zu erlernen. Ich lasse in diesem Blogbeitrage eine wahrhaft trübsinnige und pessimistischen Rückschau von dem Jahr 2020 zu.
Sonst noch was interessantes zum berichten? Es gibt eine neuartige Zahncreme in den Drogeriemärkten zu kaufen. Die Paste ist schwarz und soll die Zähne weißer machen!