Juni 2020
Ach. Meine Schulter, die rechte, schmerzt anhaltend. Ich könnte unmöglich wieder so einen Krankheitsverlauf wie den von vor zwei Jahren ertragen.
Und: eine unangenehme und ebenso schmerzhafte Entscheidung mußte getroffen werden. Die ICAK mit Robert Schumanns "Das Paradies und die Peri" wird heuer in St. Pölten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden können. Dennoch habe ich mich nach vielen Überlegungen und einigen schlaflosen Nächten gegen die Teilnahme entschieden.
Es liegt größtenteils daran, das in Deutschland weiterhin noch kein Chorleben stattfinden darf. Die Österreicher allerdings sind in dieser Hinsicht schon weiter als wir.
Möglicherweise hängen mir die Corona-beschränkungen als Pflegekraft noch zu sehr in den Knochen, aber ich hätte mich bei einer Anmeldung schlecht gefühlt.
Besonders schade ist es auch deshalb, weil dieses weltliche Oratorium nur sehr selten in den Chören aufgeführt werden kann. Und wann hätte man dann hierzulande mal die Gelegenheit an so einem Schmanckerl teilzunehmen.
Im Jazzklavierunterricht halten wir nun immer eine Doppelstunde ab. Daran könnte ich mich gewöhnen. Ich bekomme ganz grundlegende Dinge nochmals erklärt. Intervalle, Akkordaufbau, Dur-Mollunterschiede, Lagen, Funktionen, Stufenbezeichnungen, Septakkorde. Alles schon mal gehört. Nur hat das Gehörte keine Möglichkeit gehabt bei mir zu nachhaltigen Erkenntnissen oder sonstigen Erleuchtungen zu führen.
Aber langsam habe ich ein bisschen das Gefühl, ich verstehe etwas von dem was ich gesagt bekomme. Gibt es Aufgaben dazu, weiß ich, ich kann sie bewältigen. Das ist ein seltener, aber guter Zustand.
Entweder sind die Aufgaben superleicht formuliert oder in meinem Kopf reihen sich die Informationen nun Stück für Stück in die richtige Reihenfolge ein. Möglicherweise liegt es aber auch daran, das ich die Themen zum Teil bestimmt schon fünf Mal erklärt bekommen habe, mich an einiges aus den ausgeliehenen Büchern erinnere oder weil ich die Jäzzchenschule bearbeitet habe, wo ziemlich viel Grundlegendes vorgekommen ist.
Ich will jetzt bei dieser Gelegenheit nicht unbedingt Rückschlüsse über meine Hirnleistung ziehen, da würde ich mich erneut selbst runter ziehen. Mein Ziel ist ja gerade das nicht mehr zu machen. Und ich stelle fest, es geht mir besser dabei. Kann leichter meine Fehler und das Unwissen hin- und annehmen.
Bild von @pianoaesthetics
Habe ja nicht nur Kenny Werners Buch "Effortless mastery " gekauft, gelesen und Teile davon re-gelesen. Dann noch einen guten Tipp aus dem Netz aufgegriffen. „Leser die das Buch gelesen haben, haben auch dies gelesen.“ Es heißt „Inner Game - Musik“ und wurde von Barry Green, Musikprofessor und Tim Gallway, Begründer eines Lern- und Coachingansatzes, geschrieben. Das Buch beschreibt wie man mentale Hindernisse aus eigener Kraft bewältigen kann. Es eröffnet natürliche Wege um negatives Denken, Selbstzweifel und Überanstrengungen beim Üben und Lernen zu überwinden.
Ich bin, das sei an dieser Stelle angemerkt, bestimmt kein großer Fan von Selbsterfahrungslektüre. In meinem Leben habe ich nicht mehr als fünf von dieser Sorte gelesen. Drei vor etlichen Jahren nach einem dramatischen Beziehungsende und die zwei in diesem Jahr.
Ich lese viel lieber Bücher die mich woanders hin entführen. Es gibt doch nichts schöneres als mit einen Buch in der Hand die eigene Welt zu verlassen und eine andere zu betreten.
Vielleicht durch die Lektüre oder eine möglicherweise dringend notwendig gewesene geistig-persönliche Weiterentwicklung kann ich inzwischen annehmen das mir das Klavierspielen erlernen nicht im Vorübergehen zufliegen wird. Ich muß mich mächtig anstrengen, ich brauche viel geduldige Führung und Einfluß von außen und ich muß lernen bei meinen Fehlern freundlicher als gewöhnlich zu mir sein.
Das Üben an sich absolviere ich gerne. Es ist geradezu eine Belohnung für mich am Klavier zu sitzen. Auch wenn man es im Unterricht vielleicht nicht immer hören kann, ist das ein regelmäßiges Ritual in meinem Tagesablauf. Gerade auch an den Katastrophentagen, wo ein Termin den anderen jagt. Me-time!
Kürzlich erwähnte der Jazzpianodozent in einer Stunde den Satz. „Und wenn du dann selbst Lieder schreibst, wird dir das gerade Gehörte sehr zu Gute kommen.“ Zuerst dachte ich, ich habe mich verhört. Dann ist mir wieder eingefallen, daß dies sein ungewöhnlicher und unbedingter Unterrichtsansatz ist. Weil er selbst so geschickt darin ist, aus eigener innerer Kraft und Kreativität Melodien zu erschaffen. Und davon ausgeht der Schüler profitiert über diese Methode ebenso für sein Spiel.
Ich habe eine ganze Weile darüber nachdenken müssen. Will ich denn Stücke schreiben? Ist denn innerhalb von mir soviel schöpferisches Potential, das über dieses Medium hinaus will? Oder auch kann? Würde es mir vielleicht nicht reichen, „nur“ Stücke und Melodien nachzuspielen?
Ich mein, das war der ursprüngliche Grund mich zum Klavierunterricht anzumelden. Irgendwas hübsches nachzuspielen, einen Ragtime vielleicht. Einen Boogiewoogie. Und, ich gebs offen zu, um irgendwann etwas von Bach spielen zu können.
Auf der anderen Seite fasziniert es mich, das mich solche Aufforderungen und Anregungen erreichen. Damit habe ich in keinster Weise gerechnet als ich mich an der Jazzschule angemeldet habe. Sieht da jemand etwas in mir, was ich selbst nicht erkennen kann? Das wäre mal ein sehr überraschender Gedanke.
Ich komme mir ein bisserl so vor, als wenn ich vor einem prächtigen Gebäude stehe in dem ein großes Fest stattfindet. Ich bin dazu nicht eingeladen. Kann nur kurze Einblicke vom Geschehen bekommen, wenn jemand die Tür öffnet. Dann ergießt sich ein Schwall von Licht, Musik, Gelächter, Glanz und Freude hinaus auf die Straße.
Ich steh draußen und ahne nur was da drinnen ohne mich stattfindet.
So sehe ich ein bisschen unseren Unterricht. Eine Türe wird leise geöffnet, mit einem großartigen Ausblick auf Wunderschönes.