Juni 2020
Mit meinem klassischen Klavierlehrer haben wir den Unterricht in der letzten Zeit hauptsächlich in seinem Elternhaus abgehalten. Dort steht im Musikzimmer neben dem Flügel ein weiteres Klavier. So kann der Sicherheitsabstand gut eingehalten werden.
Die Brahms Terzenübungen werden auf zwei reduziert. Meine Finger und ich sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage die anderen korrekt auszuführen. Sie machen einfach was sie wollen, diese Finger. Bei den beiden kann man immerhin leise erkennen wie die Übung lautet. In seinem Haus ist er auch etwas strenger mit mir. Da fieselt er noch detaillierter an wenigen Takten mit mir herum. Aber ich bin geduldig und verliere ausnahmsweise nicht meine Nerven.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich häufig im Spiel. Ich bin etwas faul und lasse die Finger oft an den Tasten "kleben". Aber ich soll sie deutlich erkennbar von der Taste lösen, wenn die nächste gespielt wird. Es gibt ein paar Finger die dabei nicht so kooperativ sind. Die Hauptverdächtigen sind schnell ausgemacht, es sind immer die 4.ten. Auffallend bequem ist aber der rechte. Da muß ich sehr genau hinschauen um zu kontrollieren was er macht. Und dann tut er trotz scharfem Blick nicht immer das, was er eigentlich tun soll.
Es tauchen größere Schwierigkeiten auf wenn ich die Stücke eigentlich schon recht gut auswendig spielen kann. Und dann von ihm unterbrochen werde, um bei einer Stelle bspw. einen besseren Spielfluss mit einem anderen Fingersatz erlangen könnte. Oder rhythmisch mal wieder ziemlich anarchistisch durch das Stück wüte oder einen feinfühligeren Ausdruck zeigen könnte.
Da soll ich innehalten, mir die Verbesserungen oder Vorschläge anhören und mit der neuen Information weiterspielen. Ja. Und da fangen dann die Probleme wieder an. Kann nicht weiterspielen. Sitze vor den Tasten und habe keine Notenvorstellung mehr. Ich habe das Stück durch die Überlagerung mit dem Neuem komplett vergessen. Muß tief in mich gehen und mich fragen, ob ich mein Hirn möglicherweise im Auto vergessen habe. Oder wo es um Himmelswillen denn sonst noch sein könnte?
Bild von @pianoaesthetics
Da brauch ich mehrere Anstöße und Impulse vom Klavierpädagogen bis die motorischen Abläufe wieder präsent sind. Er lenkt mich dann meist mit etwas total nebensächlichen ab, einer kleinen Übung zum Beispiel. Oder mit einem Fingerlauf, der entfernt mit dem zu tun hat, an dem ich grad gescheitert bin. Oder, ganz besonders fies, einer ganz ganz schwierigen Übung, sodaß das ursprüngliche Problem danach geradezu leicht erscheint.
Ein guter Tipp von ihm. Eine Kopie von den Noten des aktuellen Stück machen, sie in mehrere Phrasen oder Taktschnipsel zerschneiden und sie dann isoliert und durcheinander spielen. Dadurch würde meine Bereitschaft geschult an beliebigen Stellen oder auch mal mittendrin einzuspringen um weiterzuspielen. Das sieht nach einem ziemlich gemeinen, aber möglicherweise hilfreichen, Tipp aus.
Ich sitze nun auch immer öfter angstfrei vor dem Flügel. Der Raumklang ist beeindruckend und mächtig. Meine Fehler hören sich allerdings ebenso beindruckend an. Aber ich schaffe es, mich davon nicht mehr so sehr verunsichern zu lassen. Es kann ja nichts passieren. Auch nicht beim zehnten Mal verspielen. Gut daß mein Klavierpädagoge trotz seines Temperaments so geduldig mit mir ist.
Im Jazzklavierunterricht fangen wir nun den Unterricht mit Theoretischem an. Etwa schon Bekanntes wie beispielsweise Akkorde aufgebaut werden, wie das mit den kleinen und großen Terzen noch mal ist. Auch wenn ich manches schon öfters gehört habe, bin ich froh sie ein weiteres Mal erklärt zu bekommen. Insgesamt habe ich von einigen Dingen auch etwas mehr Ahnung und dann fügen sich diese zusätzlichen Informationen zu einem etwas klareren musikalischen Bild zusammen. Und anschließend versuche ich diese neuen Informationen am Klavier irgendwie umzusetzen. Das ergibt einen ziemlich runden und vollständigen Unterricht und macht Spaß. Die Zeit verfliegt wie im Flug.