Crisis? What "a" crisis!

April 2020

Die freie Interpretation eines Schallplattentitel von Supertramp. Beschreibt aber längst nicht annähernd und anschaulich die Situation, wie die, in der wir uns gerade befinden.

Das ganze Land ist lahmgelegt. Nahezu alles wurde geschlossen. Wer priviligiert ist, kann von zuhause aus arbeiten. Oder wird freigestellt und verliert seine Arbeitsgrundlage weil er beispielsweise im Hotelgewerbe oder in der Gastronomie arbeitet.

Niemand hat eine Vorstellung wie lange es dauern wird, bis wieder Normalität in diese verrückte Welt einkehrt. Einer von meinen langjährigen Freunden liegt im Koma auf einer Intensivstation im Krankenhaus. Er wird beatmet, ist an die Dialyse angeschlossen und erhält Infusionen mit Antibiotikum. Alle hoffen und beten das sein Körper es schafft den Virus zu bekämpfen. Ich schreibe diese Zeilen und weiß so gar nicht wie es gerade um ihn steht. Die Sorge ist groß.

 

Dann komme ich in diesem Blog mit meinen unwichtigen Belangen daher und berichte über meine kleinen Lebensthemen.

Ich hätte theoretisch viel Zeit zur Verfügung. Drei Chöre fallen aus. Zweimal Klavierunterricht. Einmal Yoga plus das Mittagessen danach. Die Fortbildungen, die Teamsitzungen, das Jonglieren. Plus die dazugehörigen Fahrtzeiten zu den einzelnen Unternehmungen. Nur der Besuch bei meiner Mutter bleibt erhalten.

Also wäre grade viel Zeit zum Klavierspielüben. Unglücklicherweise wird das Pflegepersonal aktuell besonders gefordert. Wir haben Kolleginnen die sich grade in Quarantäne befinden. Dann die obligatorischen Erkrankungen die einen Pflegedienst so oder so auch in ganz normalen Zeiten unvermutet anfallen. Die freien Tage sind selten geworden, die zusätzlichen Abenddienste leider häufig.

piano 2618901 1920Für gewöhnlich wird ja schon in Normalzeiten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eher keine ruhige Kugel geschoben. Nun wird es noch anstrengender. Vor kurzem hatte ich an einem Tag über vierzig Patienten zu versorgen gehabt. Ich konnte die gesamte Anzahl der Namen nicht mehr in meinen Kalender eintragen, denn es gab nicht genügend Platz für sie. Die Arbeitszeiten auf dem Papier waren zwischen 10 bis 11 Stunden. Realiter sind es meist ca 20 bis 45 Minuten länger die wir für die Pflege brauchen. Pro Tag!!! Wir können sie nicht auf unser Zeitkonto notieren, weil sie nicht im Leistungskatalog gebucht sind. Aber trotzdem benötigt werden. Das heißt, wir bezahlen diese Zeit mit unserer persönlichen Freizeit.
Manchmal kann ich bis zu 18 Überstunden in einer Woche verzeichen. In einem der vergangenen Jahren habe ich in einem Monat mit 31 Tagen an 28 arbeiten müssen. Der Personalmangel und die Not war so groß, das die gesetzlichen Arbeitszeiten und entsprechend die arbeitsfreien Phasen nicht mehr beachtet werden konnten.
Ich frage mich wann der ganze Pflegeapparat in Deutschland an die Wand fährt. Nebenbei gesagt, sorge ich mich wieder um meine Schulter. Diesmal ist es die rechte, bei der ich deutliche Bewegungseinschränkungen verspüre!

 

In der wenigen Freizeit übe ich Klavier. Versuche es zumindest. Zeitweise ist kaum Energie dafür da. Auf der anderen Seite weiß ich, wenn ich geübt habe, fühle ich mich hinterher gut. Das Konzentrieren auf Noten und Töne ist fast wie eine Meditation. Eine kleine Belohnung für mich selbst.

Es ist vergleichbar zum Singen im Chor. Manchmal schleppte ich mich fast lustlos nach dem Abenddienst noch dorthin. Habe es hinterher aber noch nie bereut, weil es eine ähnliche Situation ist. Ich muss nichts entscheiden, folge brav den Anweisungen des Chorleiters, kann zwei Stunden ruhig auf meinen Hintern sitzen und beschäftige mich mit wunderbarer Musik. Ein Abtauchen in die musikalische Welt. Danach ist meine Seele wieder erfrischt.

Mein klassischer Klavierlehrer wollte via Skype Unterricht mit mir abhalten. Die Jazzschule möchte einen ähnlichen Versuch starten um mit ihren Schülern in Kontakt zu treten. Wird beides bei mir nicht funktionieren, weil ich keine Internetverbindung in meiner Wohnung habe.

 

Ich werde vielleicht in dieser unruhigen Zeit die Jäzzchen Schule wieder durcharbeiten. Das wollte ich eh schon länger mal machen. Für den klassischen Unterricht habe ich das erste Stück aus Bela Bartok's Band: „Für Kinder“ ins Auge gefasst. Ich hatte es dem KL schon mal ziemlich wackelig prima vista vorgespielt. Da waren tolle Töne dabei, die, wie ich finde, schon fast Jazz sind. Seine Miene und die Antwort waren oskarreif: „Ja also. Nun siehst du! Ziemlich ungewöhnlich!! Und schräg!!! Aber jetzt schnell was Schönes gespielt.“
Er ist halt durch und durch ein Romantiker.