Komposition und Tonsatz

Februar 2020

Mein persönliches Highlight in dieser Woche: ich habe mich in Komposition angemeldet. Ich habe mich getraut. Das Material: ein paar Musikfragmente, die ich mir in den letzten Wochen ausgedacht, gemerkt und teilweise aufgeschrieben habe. Der Grund für die Anmeldung: die Aufgabe vom Pianodozenten meine Ideen nicht nur auswendig zu spielen. Sondern das, was ich mir so ausgedacht habe, in Form zu bringen und alles richtig aufzuschreiben und am besten noch weiteres dazu erfinden. Oh je. Dachte das kann ich unmöglich alleine bewerkstelligen. Für diese Aufgabe brauche ich Hilfe und Unterstützung.

Ich schickte nach unserer letzten, unserer goldenen letzten Jazzpianostunde während der Fahrt in der S-Bahn nach München ein Mail an die Organisation vom L.D. und fragte ob es noch einen freien Platz in Komposition für mich gäbe. Als ich aber am nächsten Morgen wach wurde, fand ich meine Idee plötzlich nicht mehr ganz so gut. Richtig Angst vor meinem eigenen Mut bekam ich dann am Donnerstag Nachmittag als die Zusage kam. Hab mich selber verwünscht: muss ich mir denn immer wieder solche Herausforderungen stellen, an denen ich gleich wieder verzagen möchte?

 

Der einzige Fakt der mich vorerst nicht verzweifeln ließ, war, das ich den Referenten für Komposition schon ein paar Jahre kenne und weiß was für ein liebenswürdiger und musikbegeisteter Mensch er ist. Professor für Komposition und Tonsatz an der Uni Wien, Komponist und Flötist. Aber ich habe ihn eher auf privater Basis beim Heurigen kennengelernt und nicht als Lehrperson. Das macht dann doch noch mal einen Unterschied.
Auf der ICAK leitet er mit großem Geschick und Begeisterung die Kompositionsklasse und Gehörbildung. Es ist am Ende der Woche immer spannend die kleinen Werke der Teilnehmer aus Komposition aufzuführen.

Auf dem Laudate Dominum dann die anderen Teilnehmer der Klasse kennengelernt. Freundliche Nachfrage von einer: „Und wie lange komponierst du schon? Und was?“ Au weia! Ein kurzer Ausbruch von heller Panik, als ich gesehen habe was der Junge in der Stunde vor mir mitgebracht hatte. Sechs eng gesetzte Seiten mit einem 4-stimmigen kirchlichen Werk.

Und ich komm daher mit einem einzelnen Blatt Papier, mit Bleistift notierte kleine Notenfragmente, keine Taktbezeichnung, kein Titel, gar nichts.

Musste mich zusammenreißen um vor Stress nicht mit dem Heulen anzufangen. Habe ihm noch mal kurz meine Situation geschildert und wollte ihm ungefähr 13 Möglichkeiten offerieren, warum ich hier fehl am Platz sei und er mich besser sofort weiterschicken kann. Beim siebten Grund wurde er dann ungeduldig und gemeint das ich es ihm überlassen sollte, eine solche Entscheidung zu treffen. Danach wurde ich ruhiger. Und natürlich war es nicht schlimm. Er hat bestätigt das es ein 6/8 Rhythmus wäre. Hat mir aber auch ¾ offeriert. Irgend eine andere Möglichkeit hat er auch noch entdecken können, habe aber vergessen was es genau war.

Er erklärte mir anhand der ersten drei Takte welche Töne nicht ganz ideal wären. Mir die ersten zwei Takte ins Heft notiert und den Rest sollte ich selber machen. In der Stunde ergab sich ein rhythmisches Problem für mich als ich die viertel und achtel hätte auszählen und definieren sollen. Eine Gelegenheit, bei der ich wiedermal merken konnte das ich null Ahnung in dieser Richtung habe. Ich kultiviere da eine bisher leider ziemlich erfolgreiche Vermeidungsstrategie. Das klappt richtig gut bei dem klassischen Klavierpädagogen, den kann ich bei Nachfragen diesbezüglich mit meinem Geschwätz ablenken. Beim Pianodozenten bin ich eher nicht so von Erfolg gekrönt, aber irgendwann hat er dann doch Mitleid mit mir. Oder vielleicht auch Angst vor einem möglichen Nervenzusammenbruch.

Habe auch noch eine Art Ende für das Stück finden können. Und alles in Schönschrift, also sauber, notiert. Mir ein williges Opfer gesucht das mein Stück spielen soll. Sie ist Organistin und Chorleiterin. Oh, und wie war ich stolz. Sie hat es gespielt und es hat sich genauso angehört wie ich es spielen würde. Bei einer Stelle dachte ich zwar sie hätte sich jedes mal verspielt. War aber nicht so, ich hatte den Akkord verkehrt notiert und sie hat ihn völlig „richtig“ gespielt.

(Dies ist die optische Darstellung einer Aufnahme der Töne von "Morgenlicht". Sieht doch sehr hübsch aus, nicht wahr?)

Sound2 Deshalb war ich etwas mutiger in meiner zweiten Stunde. Der Professor ist mit mir noch mal die Noten einzeln durchgegangen. Einige fand er nicht gut, hat mir auch erklärt weshalb. Er geht natürlich von der klassischen Harmonielehre aus. Bei einigen musste ich ihm zustimmen, bei ein paar anderen hätte ich um Geld wetten können das der Pianodozent meiner Meinung wäre. Manche nicht passende Töne sind aber dann doch okay gewesen, weil ich sie in einer Art „Durchgang“ integriert habe. Das sei legitim und stört das Ohr nicht so sehr. Und dann muss immer beachtet werden, das ein Jazzer eine ganz andere Sichtweise hätte.
Bei meinem Ende soll ich auf die Tonika achten.

 

Das war eine sehr interessante Erfahrung einen solch qualifizierten Menschen über meine erste ernstzunehmenden Aufgabenstellung blicken zu lassen. Ich denke immer wieder mal an die Oper „Maria Magdalena“ die er geschrieben hat und die wir im letzten Jahr in Retz von ihm hören konnten. Die Zuhörer waren so bewegt danach. Zweimal haben wir auch schon mal die „Missa Sanctae Crucis“ von ihm gesungen.
Mit seiner freundlichen und bestätigenden Art hat er mir viel Mut gemacht. Hat sich völlig wertfrei auf mein niedriges Level und meine Ideen eingestellt. Ich mein, es ist mein allererster Versuch irgendwas in ein Notenbild zu fassen. Als ein Resultat aus diesen vorsichtig herantastenden Improvisationsschritten. Bei denen ich zum ersten Mal das Gefühl habe, ich weiß worum es geht. Das ist ein wirklich gutes Gefühl.
Und ich verspüre leisen Stolz über mein kleines Werk. Der Professor meinte dies wäre nun mein Opus 1. Mein Mann findet die Melodie sei voller guter Laune und heiter wie ein schöner Sommermorgen. Deshalb wird es "Morgenlicht" heißen.

In den letzten fünf Minuten unserer Stunde habe ich ihm noch meine kleine Traummelodie unterjubeln können, die ich gottlob noch in dem Stapel von Übungen auf meinem Klavier finden konnte. Ich wollte sie ihm schon auf der ICAK 2019 vorstellen, was damals aber nicht geklappt hat. Er hat sie tatsächlich entziffern und spielen können. „Oh“, hat er gesagt, „das ist ja wie eine kleine Übung von Bach.“ Hach. Das ist das schönste was ich in sehr langer Zeit gehört habe. Das ich mir so was im echten Wortsinn erträumen durfte, ist wie ein kleiner Schatz für mich.

 

In der ersten Jazzpianostunde danach habe ich ganz brav von meinem Ausflug in die Komponistenwelt erzählt. Welche Hilfestellung ich dabei erhalten habe, wollte nicht das die irrige Idee aufkommt, ich hätte die Aufgabe ganz alleine bewerkstelligt. Für den Schluß in meinem Stück habe ich dann noch ein paar Umkehrungen der jeweiligen Akkorde einbauen können und das Stück mit der Tonika beendet. Aufgabe erfüllt. Ich fand erfolgreich.

Schade, denn ich konnte aus dem Verhalten meines Pianodozenten nicht wirklich herauslesen was er nun am Ende von dem Stück hält. Man kann schon sagen, dass er nicht unbedingt ein König des Ermutigens ist.

Gut das unserer Tennistrainer damals ähnlich agiert hat. Also, natürlich ist es nicht gut, das er so agiert hat. Aber es ist gut, das ich sozusagen daran gewöhnt bin, nur in Ausnahmefällen mal ein Lob zu erhalten. Dafür hatte ich eine Tennispartnerin die mir Mut zugesprochen und mich motiviert hat. Aber es gab fast nichts erhebenderes wenn ich tatsächlich mal eine perfekte Rückhand gemacht hatte. Einhändig selbstverständlich, sieht viel eleganter aus. Und er sagte „Schöne Rückhand, Claudia, wirklich sehr schöne Rückhand!“ Ich wusste dann war sie Bilderbuchreif.

Meine ehemalige Tennispartnerin ist mir vor nicht allzu langer Zeit nach vielen Jahren Kontaktstille zufällig über den Weg gelaufen. Sie hat auch mit dem Tennisspielen pausiert. Jetzt versuche ich sie zu überreden ebenso mit dem Klavierspielen anzufangen. Ich kann leises Interesse für diese Thematik bei ihr verspüren!