5. Stunde

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piano 557882 1920Ich bin ganz verliebt in die kleine musikalische Miniatur.
Mein Lehrer ist erfreut das ich mich mit dem zweiten Teil beschäftigt habe. Dann mal nicht nur die Grundtöne gespielt, sondern die Akkorde dazu versucht. Verflixt. Aber wenn er das Lied spielt und die Akkorde dazu, hört sich das schon sehr sehr hübsch an. Das will ich auch können. Also daheim weiter fleißig üben.

In dieser Stunde soll ich die Akkorde links mit der rechten Hand begleiten. Die Aufgabe lautet: vier Töne improvisieren zu einem Akkord. Entsetzter Aufschrei von mir: „NEEEIIIN. Das kann ich doch nicht.“  Er: „????. Hmh? Wie wärs denn dann mit zwei Tönen?“  Ein weiterer Aufschrei von mir: „NEEIIN. Das geht auch nicht.“  Er: „??. Wie siehts denn aus mit einem Ton pro Akkord?“ Kleinmütiges Aufgeben meinerselbst: „Na gut. Das geht vielleicht schon.“ Die Geduld des jungen Mann sei gepriesen. Und ebenso sein Einfallsreichtum um meine inneren Widerstände zu überlisten.
Ich habe ja nicht wirklich erwartet das es mir mit dem Klavierspielen erlernen leicht fallen wird.

Ich denke ein bisschen an die Zeit zurück als ich angefangen habe mich mit dem Tennisspielen zu beschäftigen. Ebenso zu alt, (damals 40 Jahre), kein Talent, kein Ballgefühl. Erstmal schlechte Voraussetzungen für einen gepflegten Ballwechsel. Aber trotz dieser Umstände hatte ich das große Glück auf eine genauso „talentierte“ Komplizin zu treffen. Sie und ich, wir haben uns bei Wind und Wetter über viele Jahre die Bälle um die Ohren, ins Netz, ins Aus, über den Zaun und ins Grün gehauen. Uns gegenseitig motiviert und wieder hochgezogen wenn die eine oder die andere mal aus Verzweiflung aufgeben wollte. Ein damals recht junger Tennislehrer, der sich vielleicht gedacht hat: "Mal schauen wie weit ich diese zwei unermüdlichen Verrückten bringen kann", kompletierte unsere Schicksalsgemeinschaft für fast 10 Jahre. Sicherlich war er manches Mal ebenso frustriert wie wir, weil über Wochen Stillstand im Fortschritt war. 
Aber im Ganzen hat es mir soviel Spaß gemacht, Schritt für Schritt vom "nichts" zum "etwas" zu kommen. Zu erkennen: in mir gibt es so etwas ähnliches wie Ehrgeiz. Ein Gefühl von dem ich glaubte, das besitzen nur andere Menschen.
Manchmal hatte ich den Eindruck, das wir beide trotz der mageren Grundvoraussetzungen am Ende gar nicht sooo schlecht waren. Und wenn mal eine bilderbuchreife Rückhand oder ein Aufschlag gelungen war, hat man sich noch drei weitere Tage an diesem besonderen Moment erfreut. Auch wenn er der Gegnerin geglückt ist! Wir waren da fast ein wenig symbiotisch.

 

Eigentlich will ich sagen, mir macht es Spaß noch was zu erlernen, bei Null anzufangen, eigene Grenzen zu erkennen um sie vielleicht eines Tages zu überwinden. Klar, könnte ich auch Bungeejumpen, das wäre in der Tat bei meiner Angst vor der Tiefe, eine echte Herausforderung.
Aber ich denke, das der Versuch mich mit dem Klavierspielen zu beschäftigen, gleichzeitig eine Erfüllung eines so lang gehegten Wunsches, ähnliche Faszination ausüben kann wie damals das Tennisspielen. Ich möchte betonen das es keine Langeweile oder der Überdruss einer frustrierten 54-jährigen ist, der mich dazu führt.

Es ist vielmehr das starke Bedürfnis Musik auf eine andere, kreative Art und Weise in meine Seele hineinzulassen, als wenn ich im Chor mitsinge oder mir Konzerte und Musikmitschnitte anhöre.